Lebensbilder: Der Maler Igors Gengeris aus Riga hat Gleichgesinnte gesucht und findet sie im Kunstverein Kultur am Kelterberg. Er malt hauptsächlich Landschaften, seinen eigenen Stil bezeichnet er als Linearismus.

Vaihingen - Igors Gengeris ist als Künstler ein alter Hase. In seiner Heimat Lettland hat er schon zahlreiche Ausstellungen mit seinen Werken bestückt. Er malt Landschaften, die er durch dickere und dünnere Linien bildet, und Stadtansichten, die er durch sprechende Porträts anreichert. Seit zwei Jahren ist der 1943 in Riga geborene Gengeris Mitglied des Vaihinger Kunstvereins Kultur am Kelterberg und trägt zum hiesigen Kunstleben bei.

 

Den Großteil seines Lebens hat der Maler in seinem Geburtsort Riga verbracht, der baltischen Stadt mit ihrem gut erhaltenen Jugendstilviertel. Hier wuchs er auf, von alten Häusern und der reich geschmückten Architektur der Jahrhundertwende umgeben. Der Familie zuliebe siedelte der Lette vor bald 15 Jahren nach Deutschland über. Nach Stationen in Bremen und Aachen lebt Igors Gengeris mittlerweile seit vier Jahren in Tamm im Kreis Ludwigsburg.

Auf der Suche nach Gleichgesinnten

Der international bereits erfolgreiche Maler suchte im Alter noch einmal den Kontakt zu anderen Künstlern. Der Kunstverein Kultur am Kelterberg gefiel ihm am besten: wegen der Größe, wegen der Kollegen. „Im Norden hat man mir ja schreckliche Dinge über Baden-Württemberg erzählt“, sagt er, „hier interessiere man sich nur für Kuckucksuhren.“ Doch glücklicherweise fand er in Vaihingen Gleichgesinnte, mit denen er sich austauschen kann: „Ich wollte besser verstehen, wie in Deutschland der Kunstbetrieb funktioniert.“

In seinem Elternhaus wurde, wie es damals im Baltikum üblich war, viel Deutsch gesprochen, der Vater war Deutscher und nannte sich Genger. Zur Kunst kam der junge Igors über einen Freund seines Vaters. In Riga absolvierte er die Kunstschule im Fach Bildende Kunst und spezialisierte sich auf die Ölmalerei. „Ich finde, Öl ist warm, und um ein Gefühl zu übertragen, braucht man ein warmes Werkzeug“, erklärt er, warum Acryl für ihn weniger in Frage kommt.

Ein berufliches Standbein fand Igors Gengeris in der Mathematik. Nach dem Studium in Riga arbeitete er viele Jahre in Design- und Forschungsunternehmen. Als aber seine Tochter aus beruflichen Gründen nach Deutschland übersiedelte, beschloss die Familie, mitzugehen. Gengeris glaubt, Deutschland sei ihm mittlerweile näher als Lettland, dessen Mentalität sich sehr verändert habe.

Von Linearismus, Städten und Musik

Seine Themen sind vielfältig, und für seine Landschaftsbilder hat er eine ganz eigene Maltechnik entwickelt, die er Linearismus nennt: durch Linien und Farbwülste in jeweils streng voneinander getrennten Strichführungen erreicht er, dass die Landschaft dreidimensional erscheint und plastisch wirkt. So bekommt beispielsweise die Gegend rund um den Gardasee eine eigene Lebendigkeit, die Pflanzen einer pazifischen Landschaft erhalten eine neue Dynamik.

Ein anderes Thema sind Städte, die Igors Gengeris mit einem Tanz oder einer Musikrichtung verknüpft. Neben dem Blues hat es ihm der argentinische Tango angetan: Ein farbiges Straßenporträt wird um ein tanzendes Paar und das ausdrucksstarke Porträt eines Bandoneonspielers ergänzt. „La Cumparsita“ zeigt einen Blick auf die Hafengegend von Buenos Aires, aber es zeigt auch die Trauer des alternden Musikers, der sich wehmütig an die Eleganz seiner Jugend erinnert. Das ist Igors Gengeris wichtig: Hinter jeder Darstellung steht eine Geschichte, vielleicht auch die Beschreibung einer gesellschaftlichen Entwicklung.