Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Unterschiedliches. Rainer berichtet, dass es ihm sehr schwer falle, das Wörtchen „ich“ auszusprechen: „Mir liegt es nicht, mich in den Vordergrund zu stellen.“ Ursula hat hingegen in ihrer Ehe gelernt, die eigenen Bedürfnisse unüberhörbar zu artikulieren. Ihr Mann sei ein „doppelter Skorpion“ und diese Kombination aus dem Sternzeichen und Aszendenten hochexplosiv – „da muss man sich wehren können“.

 

Wenn seine Gäste vom Thema abzukommen drohen, hilft Frühwirth die journalistische Erfahrung. Gute Moderatoren verfügen über einen rhetorischen Fundus, mit dem sie das Gespräch in die gewünschte Richtung lenken können. „Der Mensch wird am Du zum Ich“, zitiert Frühwirth den Theologen Martin Buber, obwohl (oder weil?) dessen Religionsphilosophie nichts mit Ursulas astrologischen Beziehungstheorien gemein hat. Für Buber prägen nicht die Sterne den Menschen, sondern sein menschliches Gegenüber, das Du.

Womit Frühwirth an jenem Punkt ist, um den seine Seminare stets kreisen: Bindungen, die ein Individuum eingeht – oder eben auch nicht. Kürzlich hat er ein Buch verfasst, es trägt den Titel „Dem Glück ein Stück entgegen gehen“ und zeigt laut dem Klappentext „Wege, wieder in Beziehung zu kommen“. Denn ohne Bindungen, heißt es weiter, „ist der Mensch ein Niemand“.

Jo Frühwirth war lange Jahre fest an Frauen gebunden. Aus der ersten Ehe mit einer Tangotänzerin hat er einen Sohn, aus der zweiten mit einer Fernsehkollegin eine Tochter. Nach der Scheidung vor zehn Jahren fiel er in ein tiefes Loch: „Mein Lebenstraum war geplatzt.“ Es ist kein Zufall, dass er seinerzeit eine Ausbildung als Festhaltetherapeut machte und sich später zudem mit dem System der Familienaufstellung befasste. Beide Methoden beruhen auf der Annahme, dass man sich mit seinen negativen Gefühlen auseinandersetzen muss. Alte Schmerzen anschauen. Frühwirths Motivation: „Ich wollte herausfinden, welchen Anteil ich daran hatte, dass meine Ehe gescheitert ist.“

2002 landete Frühwirth auf dem Abstellgleis

Männer, die in der leistungsorientierten Nachkriegszeit aufgewachsen sind, gelten üblicherweise nicht als ambitionierte Erforscher der eigenen Seele. Was lief bei Frühwirth anders? „Meine journalistische Arbeit war für mich wie ein Psychologiestudium“, antwortet er und nennt Gäste, die er einst in seine Sendung „Thema M“ eingeladen hat: den Hirnforscher Gerald Hüter, den Psychoanalytiker Michael Lukas Möller oder die Psychologin Jirinan Prekob. Wissenschaftler, die nicht nur den Moderator Frühwirth, sondern auch bis zu einer halben Million Fernsehzuschauer mit ihren Thesen fesselten. „Thema M“ war eine feste Marke im Dritten Programm.

Irene möchte, dass es ihrer Familie gutgeht, Tim wohnt gerne in Großhöchberg, Elke genießt ihre Omarolle, Rainer ist zufrieden mit seiner Arbeit, und Ursula jobbt neben der Rente als Sicherheitskraft bei VfB-Heimspielen. Wie war das, vor Fremden über sich selbst zu sprechen? „Hört in euch rein“, sagt Frühwirth. „Wie wirkt es auf euch? Was ist in euch passiert?“

„Der Mensch wird am Du zum Ich“

Unterschiedliches. Rainer berichtet, dass es ihm sehr schwer falle, das Wörtchen „ich“ auszusprechen: „Mir liegt es nicht, mich in den Vordergrund zu stellen.“ Ursula hat hingegen in ihrer Ehe gelernt, die eigenen Bedürfnisse unüberhörbar zu artikulieren. Ihr Mann sei ein „doppelter Skorpion“ und diese Kombination aus dem Sternzeichen und Aszendenten hochexplosiv – „da muss man sich wehren können“.

Wenn seine Gäste vom Thema abzukommen drohen, hilft Frühwirth die journalistische Erfahrung. Gute Moderatoren verfügen über einen rhetorischen Fundus, mit dem sie das Gespräch in die gewünschte Richtung lenken können. „Der Mensch wird am Du zum Ich“, zitiert Frühwirth den Theologen Martin Buber, obwohl (oder weil?) dessen Religionsphilosophie nichts mit Ursulas astrologischen Beziehungstheorien gemein hat. Für Buber prägen nicht die Sterne den Menschen, sondern sein menschliches Gegenüber, das Du.

Womit Frühwirth an jenem Punkt ist, um den seine Seminare stets kreisen: Bindungen, die ein Individuum eingeht – oder eben auch nicht. Kürzlich hat er ein Buch verfasst, es trägt den Titel „Dem Glück ein Stück entgegen gehen“ und zeigt laut dem Klappentext „Wege, wieder in Beziehung zu kommen“. Denn ohne Bindungen, heißt es weiter, „ist der Mensch ein Niemand“.

Jo Frühwirth war lange Jahre fest an Frauen gebunden. Aus der ersten Ehe mit einer Tangotänzerin hat er einen Sohn, aus der zweiten mit einer Fernsehkollegin eine Tochter. Nach der Scheidung vor zehn Jahren fiel er in ein tiefes Loch: „Mein Lebenstraum war geplatzt.“ Es ist kein Zufall, dass er seinerzeit eine Ausbildung als Festhaltetherapeut machte und sich später zudem mit dem System der Familienaufstellung befasste. Beide Methoden beruhen auf der Annahme, dass man sich mit seinen negativen Gefühlen auseinandersetzen muss. Alte Schmerzen anschauen. Frühwirths Motivation: „Ich wollte herausfinden, welchen Anteil ich daran hatte, dass meine Ehe gescheitert ist.“

2002 landete Frühwirth auf dem Abstellgleis

Männer, die in der leistungsorientierten Nachkriegszeit aufgewachsen sind, gelten üblicherweise nicht als ambitionierte Erforscher der eigenen Seele. Was lief bei Frühwirth anders? „Meine journalistische Arbeit war für mich wie ein Psychologiestudium“, antwortet er und nennt Gäste, die er einst in seine Sendung „Thema M“ eingeladen hat: den Hirnforscher Gerald Hüter, den Psychoanalytiker Michael Lukas Möller oder die Psychologin Jirinan Prekob. Wissenschaftler, die nicht nur den Moderator Frühwirth, sondern auch bis zu einer halben Million Fernsehzuschauer mit ihren Thesen fesselten. „Thema M“ war eine feste Marke im Dritten Programm.

2002 wurde der ernsthafte Journalist Frühwirth dennoch der Unterhaltung geopfert, seine monatliche Sendung eingestellt, damit Wieland Backes fortan jeden Freitagabend im „Nachtcafé“ locker talken konnte. Frühwirth landete auf einem Abstellgleis – in der Redaktion „Kirche und Gesellschaft“.

Wie schnell die Zeit vergeht: Als Frühwirth 1977 als 30-Jähriger zur „Abendschau“ kam, trieb die RAF ihr Unwesen, und der Jungreporter sah mit seinen langen Haaren und seinem Walrossschnauzbart selbst wie ein Bombenleger aus. Als er seine eigene Sendung bekam, trat er seriöser mit Stoppelfrisur und Schlips vor die Kamera. Und plötzlich war die große Karriere vorbei, und die Rente rückte näher.

Jo Frühwirth hatte vorgebaut, um sich nach seinem Abschied vom SWR nicht einsam und nutzlos zu fühlen. „Ich war unbeabsichtigt zum Einzelgänger geworden“, erzählt er. „Deswegen wollte ich einen Ort schaffen, der die Menschen anzieht.“ 2007 steckte er seine Ersparnisse in eine alte Immobilie. Fünf Jahre renovierte er das Fachwerkgebäude in Großhöchberg im Rems-Murr-Kreis und baute die dahinter liegende Scheune zu einem Seminarhaus um.

„Ich bin kein Guru“

Seit fünf Jahren bietet er nun sein, wie er es nennt, „Autonomietraining“ an. „Ich bin kein Guru“, sagt er. „Aber ich kann mit meinen Klienten auf Verletzungen, Kränkungen, eingemauerte Gefühle und Abhängigkeiten schauen.“ Und wie sieht es mit seinen eigenen Wunden aus, schmerzen sie noch immer? Frühwirth lächelt über die Frage, schweigt einige Sekunden und antwortet schließlich: „Jeder, der sich intensiv mit psychotherapeutischen Methoden beschäftigt, tut das auch, weil er in sich selbst nach etwas sucht.“

Zurück zu dem verflixten Montag, an dem manches schieflief. Jetzt ist es zehn, und Frühwirth hat sich zweieinhalb Stunden lang über das Thema „Ich sagen und Egoismus“ ausgetauscht. Der Gastgeber schlägt vor, eine Flasche Wein zu öffnen und zum gemütlichen Teil des Abends überzugehen. Zuvor kündigt er das Thema seines nächsten Blauen Salons an: „Was ist der Sinn von Lebenskrisen?“ Jo Frühwirth hat für sich die Antwort gefunden.