Robin Hofmann verhilft Marken zum passenden Sound. Mit seiner Agentur HearDis! ist ihm ein großer Coup gelungen: Mit Hilfe von EU-Fördergeldern tüftelt der Stuttgarter an einem Algorithmus zur Musik-Rubrizierung.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Ein Hinterhof in Stuttgart-Mitte. Das Büro der Agentur HearDis! ist nicht einfach ein Büro, es ist die perfekt durchgestylte Inszenierung der modernen Arbeitswelt. Die Leuchtschrift der Agentur HearDis! weist lässig den Weg an der Küche vorbei, die von außen wiederum aussieht wie eine Mischung aus Ski-Hütte und Kiosk. Das dunkelbraune Holz stellt einen eleganten Kontrast zur lichtdurchfluteten Etage dar. In der einen Ecke des Büros steht eine riesige Plattensammlung, in der anderen Ecke liegen Yoga-Matten: Immer montags sorgt hier ein privater Yoga-Lehrer dafür, dass die Hipster-Rücken für das nächste Projekt wieder ganz geschmeidig sind.

 

Inzwischen wieder ziemlich geschmeidig wirkt Robin Hofmann. Als sich der Chef der Agentur HearDis! 2013 nach 16 Jahren Selbstständigkeit ausgebrannt fühlte, vertraute er seinem Teilhaber und seinen Angestellten seine Agentur an und verzog sich für ein Jahr in die Sächsische Schweiz, um dort als Nationalparkwächter zu sich zu finden.

Der kleinen Agentur gelingt ein großer Coup

Die Selbstfindung war scheinbar erfolgreich: Hofmann kam mit einer verwegenen Idee zurück. In seiner Agentur tüftelt er schon lange daran, wie Marken klingen. Für die Shops von Hugo Boss oder die Schweizer Supermarktkette Migros suchen Hofmann und sein Team nach dem perfekten Klang. „Wir machen Corporate Design für die Ohren“, sagt Hofmann. Wieso diese Forschung also nicht auf die nächste Stufe hieven, indem man mit Hilfe eines EU-Förderprogramms an ein ordentliches Budget kommt? „Statt Steuern zu hinterziehen, wollte ich mir eben auf andere Art etwas vom Staat zurückholen“, sagt Hofmann, und lächelt in seinem durchgestylten Büro.

Tatsächlich ist Hofmann mit seiner kleinen Agentur ein großer Coup gelungen. Gemeinsam mit der TU Berlin, dem Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) und der italienischen IT-Schmiede Fincons erhalten Hofmann und seine Mitstreiter als Konsortium eine millionenschwere Förderung im Rahmen des „European Union’s Horizon 2020 Research and Innovation Programme“.

Eines der Ziele des ABC-DJ-Project getauften Konsortiums, das ausgeschrieben den sperrigen Titel Artist to Business to Business to Consumer Audio Branding System trägt: „Wir forschen an einem Algorithmus, der große Mengen Musik analysiert, sie indexiert und mit Markenwerten abgleicht“, erklärt Hofmann. Bisher arbeiten mehre seiner Mitarbeiter manuell daran, Musik in verschiedene Schubladen zu sortieren, im Fachsprech zu taggen, sie also in Kategorien wie traurig, fröhlich, House, Rap oder andere einzuteilen und sie dann bestimmten Marken zuzuordnen.

Auf der Suche nach einem Algorithmus für Musik

„Die künstliche Intelligenz lernt von unseren Mitarbeitern die passende Klassifizierung und soll später einmal viel mehr Musikinhalte verarbeiten“, so Hofmann. Ein Ziel des Forschungsprojekts ist es, über Musik das perfekte Shoppingerlebnis zu generieren. „Früher ging es im Handel darum, wie viel man pro Quadratmeter verdient. Heute geht es um das maximale Erlebnis pro Quadratmeter“, erklärt Hofmann. „Wichtig ist es, eine besondere und individuelle Atmosphäre zu schaffen, passend zur Tageszeit, zum Wetter oder zu anderen Einflüssen. Und mit professionell ausgewählter Musik kreiert man die passende Atmosphäre. Damit der Kunde wieder lieber shoppen geht, anstatt alles nur im Internet zu bestellen“, sagt Hofmann.

Das ABC-DJ-Project soll künftig auch unbekannteren Künstlern helfen, Geld zu verdienen. „Wenn ein Musiker neue Musik komponiert hat, könnte er diese zum Beispiel in einen Dropbox-Ordner laden, damit seine Lieder automatisch von unserem System indexiert und dann im richtigen Kontext verwendet werden können“, sagt Hofmann. „Dieses System kann für viele Künstler eine komplett neue Bühne bieten und ist dabei transparent und fair“, ist sich der Diplomgestalter sicher, der früher als DJ die halbe Welt bereist hat.

„Ohne meine Auszeit in der Sächsischen Schweiz damals hätten wir die Förderung jetzt wahrscheinlich nicht bekommen. Während meines Sabbaticals war ich auf der Suche nach einer neuen intellektuellen Herausforderung, um die Routine der Agenturarbeit zu durchbrechen“, sagt der 40-Jährige. Die Stuttgarter Zeitung hatte damals über seinen Wandel vom DJ zum Parkwächter berichtet, was dazu führte, dass Robin Hofmann von Wanderern im Wald im wilden Osten hinter Dresden erkannt wurde. Wenn er nun mit seinem EU-Projekt eine Art neues Spotify für Marken erfindet, dürfte er bald an ganz anderen Orten erkannt werden.