Die CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giosouf prangert die „Stasi-Methoden“ des türkischen Geheimdienstes an. Sie war die erste CDU-Parlamentarieren mit muslimischem Glauben.

Berlin - Wenn es um eine Einschätzung der türkischen Politik geht, dann hat sich vor allem der Grünen-Parteichef Cem Özdemir bisher couragiert und kritisch über den Kurs von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan geäußert. Aber Özdemir ist nicht allein unter den deutschen Politikern mit türkischen Wurzeln: Auch bei den Christdemokraten gibt es eine mutige Stimme, die sich äußert: Die 38-jährige CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf hat jetzt in der „Rheinischen Post“ klare Kante gezeigt und kritisiert die „Stasi-Methoden“, mit denen der türkische Geheimdienst in Deutschland offenbar missliebige Personen beobachtet und auf eine Liste mit 300 Namen gesetzt hat. Nach dem Bekanntwerden der Liste – auf der sich auch die SPD-Abgeordnete Michelle Müntefering und die CDU-Landtagsabgeordnete Emine Demirbüken-Wagner aus NRW befinden – sind die Verfassungsschützer im Bund und Land aktiv. Sie erwarte, „dass es zu einer strafrechtlichen Verfolgung dieser geheimdienstlichen Spionage kommt, so wie es unser Gesetz vorschreibt“, sagt Cemile Giousouf. Es sei gut, dass der BND – an den der MIT die Liste weiter gegeben hatte – die betroffenen Personen gewarnt habe.

 

Über die Aussage von CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière, wonach Spionagetätigkeit in Deutschland strafbar sei, geht sie mit diesen Worten aber nicht allzu weit hinaus. Dennoch kommt es wohl auch darauf an, wer etwas sagt.

Kritisch über Nazi-Vergleiche geäußert

Vor kurzem hatte sich Cemile Giousouf, die Integrationsbeauftragte der Union ist, sich in einem „Focus“-Interview bereits kritisch mit den Nazi-Vergleichen von Erdogan befasst und gemeint, der Präsident schade damit auch den Türken in Deutschland. Mit seinen Aussagen gefährde Erdogan nicht nur den sozialen Frieden, er bringe auch alle Deutsch-Türken in Rechtfertigungsnöte. „Es ist schon soweit gekommen, dass Türkeistämmige pauschal gefragt werden, wie sie es denn mit dem türkischen Präsidenten halten.“ Seit Erdogans „Provokationen“ stünden sie „unter Generalverdacht“, so zu denken, wie er. Dabei seien die Türken hierzulande keine homogene Gruppe, sagte sie dem „Focus“. Es gebe neben den Sympathisanten und Gegnern Erdogans auch viele, „die sich von türkischer Seite nicht politisch instrumentalisieren lassen“. Im übrigen hätten bei den letzten Parlamentswahlen nur 40 Prozent der Deutsch-Türken mitgemacht.

Gebürtig aus einer Fabrikarbeiterfamilie

Cemile Giousouf ist als Tochter einer türkischen Fabrikarbeiterfamilie in Leverkusen geboren, sie hat Politologie, Soziologie und Islamwissenschaft in Bonn studiert. Obwohl sie dort zunächst nicht wohnte, hatte sie der CDU-Verband des Wahlkreises Hagen-Ennepe-Ruhrkreis I als Kandidatin für den Bundestag ausgewählt. Die junge Deutsch-Türkin passte gut zu einem Kreis, in dem 40 Prozent der unter 20-Jährigen einen Migrationshintergrund haben. Bei der Bundestagswahl ist sie zwar nicht direkt gewählt worden, kam aber über die Landesliste ins Parlament. Für die Christdemokraten war sie ein Novum: die erste Bundestagsabgeordnete mit muslimischem Glauben. Cemile Giousouf selbst war wegen politischer Persönlichkeiten wie Rita Süßmuth und Heiner Geißler auf die CDU aufmerksam geworden – und in die Partei eingetreten.

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland ist momentan auch wegen einer geplanten Verfassungsänderung in der Türkei angespannt, die Erdogan deutlich mehr Macht verleihen würde und über die es einen Volksentscheid gibt. Die wichtigsten Fakten dazu sehen Sie im Video: