Der Hit „Katzenklo“ reizt sein Talent längst nicht aus: Helge Schneider ist ein guter Musiker. Aber auch im Porträtfilm „Mülheim Texas“ der Stuttgarter Regisseurin Andrea Roggon lässt Schneider sich nicht in die Karten schauen.

Stuttgart - Als Dokumentarfilmerin fürchtet man diesen Satz: „Ich möchte jetzt alleine sein, gleich.“ Der Musiker, Komiker und Schauspieler Helge Schneider sagt ihn in Andrea Roggons Porträtfilm „Mülheim Texas“ einmal vor laufender Kamera. Und hat ihn vermutlich öfter als einmal ausgesprochen. „Mülheim Texas“ ist keiner jener fanartikelhaften Künstlerfilme, die einen Star nach dessen Wunsch und Willen positiv inszenieren. „Mülheim Texas“ ist das Protokoll eines Kampfes, mithin viel interessanter.

 

Kampf, das soll nicht heißen, dass die Stuttgarter Filmemacherin Andrea Roggon und ihre Kamerafrau Petra Lisson sich mit Helge Schneider Duelle geliefert hätten, die auf gegenseitige Verletzung zielten. Unter solchen Bedingungen hätte das Projekt „Mülheim Texas“ sich gewiss nicht vier Jahre lang entwickeln können.

Im Gegenteil, Roggon („Soy Libre“) bewundert Schneider. Sie hat „Mülheim Texas“ als Film über Freiheit und Zwang angelegt, als Porträt eines Mannes, der für sie, wie sie sagt, vorbildlich und inspirierend Freiheit lebt, sich eine eigene Welt geschaffen hat und vielerlei Zwänge der Konvention vom Hals zu halten weiß.

Er schminkt sich nie ab

Schneider auf, hinter und vor der Bühne, bei Auftritten, im Alltag und mehr oder weniger frontal in die Kamera erzählend – all das durfte man erwarten. Man bekommt es auch, aber dieser Helge Schneider schminkt sich nie ganz ab. Solange die Kamera läuft, bleibt er immer Bühnenfigur. Das ist kein Spleen, das ist kein Überbedürfnis, die Leute zu unterhalten, das ist ein unüberwindlicher Selbstschutzreflex dieses Menschen.

Der hochtalentierte Jazzmusiker, der mit Blödelliedern wie dem vom „Katzeklo“ populär wurde und dessen Film- und Bühnenfiguren von einem hohen Anteil Kleinkindblödelei geprägt sind, trägt Albernheit als Rüstung. Dieser Helge Schneider will sich nicht erkennen, beurteilen, antasten lassen, er schiebt viel konsequenter als andere eine Kunstfigur zwischen sich und die Welt.

Unsere Scheu und Schneiders Blödeln

„Mülheim Texas“ würde gerne um den Kugelfang herum auf den privaten Schneider schauen, und immer, wenn der in Momenten der Stille den Eindruck bekommt, nun sei doch etwas von ihm zu sehen, legt der sofort wieder mit seiner Blödelnummer los.

Das ist auch für Leute spannend anzusehen, die mit Schneiders sonstigem Schaffen nicht viel anfangen können. Weil unser aller Scheu vor den anderen, die niemand gerne zugibt, im Treiben eines scheinbar Extrovertierten überdeutlich wird. Und weil Roggon Helge Schneider nie böse und auf Enthüllung geifernd bedrängt: ihr Suchen nach dem anderen Menschen bleibt von Zuneigung geprägt.

Mülheim Texas. Deutschland 2015. Regie: Andrea Roggon. Dokumentarfilm. Mit Helge Schneider. 93 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.