Seit vergangener Woche blicken oder lächeln große Schwarz-Weiß-Porträts von unterschiedlichen Wänden im Stadtbezirks Degerloch. Die Ausstellung „Gsichtszeiger“ bildet Menschen mit und ohne Behinderung ab. Sie will mehr Verständnis schaffen.

Degerloch - Im Degerlocher Bezirksrathaus werden die Bürger seit einer Woche von zwei großen Schwarz-Weiß-Porträts begrüßt. Nicht zu übersehen sind die jeweils circa 70 auf 100 Zentimeter großen Fotos direkt hinter der Eingangstür. Eines der Porträts zeigt einen Mann, der die Augen zusammenkneift und den Mund weit aufreißt. Es scheint fast so, als würde er schreien. Die verschiedenen Porträts fallen allein schon wegen ihrer Größe auf. „Mit den Bildern wollen wir Aufmerksamkeit bekommen, deshalb sind sie auch so riesengroß“, erzählt Heike Schmid-Mühlig von der Evangelischen Gesellschaft (eva).

 

Die Bilder gehören zu der „Gsichtszeigerausstellung“, die seit vergangener Woche an verschiedenen Stellen im Stadtbezirk hängen. Bis 31. Oktober sind die Porträts, die sowohl Menschen mit als auch ohne Behinderung zeigen, ausgestellt. Etwa 100 Menschen, die eine Verbindung zum Behindertenzentrum (BHZ) haben, ließen sich ablichten. Insgesamt hängen mehr als ein Dutzend dieser Porträts in Degerloch.

In der vergangenen Woche haben sich einige Mitarbeiter und Klienten des BHZ auf den Weg gemacht und bei einem Spaziergang durch den Bezirk die ausgestellten Kunstwerke angeschaut. Angefangen hat der Ausflug am Bezirksrathaus, wo die Bezirksvorsteherin Brigitte Kunath-Scheffold den Stadtspaziergang mit einer kleinen Rede eröffnete. „Ich freue mich über die Ausstellung und bin sehr gerne mit dabei“, betonte sie.

Worte zum Nachdenken

Vom Rathaus führte der Weg über das Helene-Pfleiderer-Haus, wo der Degerlocher Frauenkreis beheimatet ist, an die Felix-Dahn-Straße. Von dort aus ging es über die Kirche der katholischen Gemeinde Mariä Himmelfahrt hin zur letzten Station, dem Kinder- und Jugendhaus. An den verschiedenen Ausstellungsorten haben einige Mitglieder der Gruppe ein paar Worte an die Spaziergänger gerichtet. So konnten die Teilnehmer gemeinsam über das Gesagte nachdenken.

Genau das sollen die Bilder auch bei den Degerlochern bewirken. Die Ausstellungsorte wurden extra so ausgewählt, dass auch körperlich beeinträchtigte Menschen die Strecke gut bewältigen können. An jeder Station gibt es eine Liste der Ausstellungsorte, so finden Interessierte alle „Gsichtszeiger“, die im Bezirk hängen.

Die Ausstellung „Gsichtszeiger“ ist Teil des Projekts „mehr Verständnis füreinander – gemeinsam mehr Leben!“. Dies ist seit 2015 von Gemeinschaftsprojekt des BHZ und dem Gemeindepsychiatrischen Zentrum. Ob Verkaufs- und Infostände bei Veranstaltungen oder Porträtbilder im Rathaus – das Projekt will die Stadt zu einem Ort für alle machen.

Die Leute sind ins Gespräch gekommen

Das Ziel, die Menschen zum Nachdenken anzuregen, haben die Verantwortlichen bei einer früheren Ausstellung der Porträts bereits erreicht. Im Sommer 2015 war die „Gsichtszeiger“-Ausstellung in etwas größerem Umfang in Plieningen und Birkach zu sehen. Saskia Heckwolf vom Bhz erzählt, dass die Menschen wegen der Bilder ins Gespräch gekommen seien. Sie freut sich über das Interesse, auf die Bilderschau sie gestoßen ist.

Doch Offenheit sei nicht alles, die Leute müssten auch verstehen, was Inklusion wirklich bedeutet. „Die Meisten denken bei Inklusion nur an die Schule. Behinderte und Nichtbehinderte in einer Klasse, das war’s mit dem Wissen. Aber Inklusion ist viel mehr“, erzählt Heckwolf. Inklusion heißt zum Beispiel, dass die Fotoaktion Menschen mit und ohne Behinderung zeigt. „Jeder Mensch trägt einen Zauber im Gesicht“, sagt der Klient Rüdiger Buck.