Yvonne Kejcz saß 20 Jahre lang im Gemeinderat. Jetzt gestaltet sie die Gesellschaft auf andere Weise.

Ditzingen - Sie ist streitbar, bei Bedarf auch scharfzüngig, in ihrer Argumentation aber stets an der Sache orientiert. Wenn Yvonne Kejcz sich im Namen ihrer SPD-Fraktion im Gemeinderat zu Wort meldete, dann war häufig die Verwaltung das Ziel ihrer Kritik. Der – ebenfalls als SPD-nah geltende – Oberbürgermeister nahm es meist gelassen zu Kenntnis, wenn Kejcz die Beratungsvorlage argumentativ zerpflückte und die Verwaltung nacharbeiten musste, obwohl sie die Angelegenheit gerne beendet hätte.

 

So sehr hatte die SPD-Politikerin in den vergangenen zwanzig Jahren die Debatten im Ditzinger Gemeinderat geprägt, dass der Oberbürgermeister Michael Makurath bei ihrer Verabschiedung vergangenes Jahr bekannte, sich Yvonne Kejcz ohne Kommunalpolitik nicht vorstellen zu können.

Doch Kejcz hatte sich entschieden, nicht noch einmal zu kandidieren. „Wenn man satt ist, soll man aufhören“, sagte sie damals. Dazu steht sie auch heute noch. Der Einfluss der Stadträte sei schließlich begrenzt. Wie soll sich ein ehrenamtlicher Kommunalpolitiker gut auskennen in den rechtlichen und übergeordneten politischen Rahmenbedingungen, in denen sich Kommunalpolitik heute bewegt? „Man ist der Verwaltung in den meisten Fällen unterlegen“, sagt sie über das versammelte Fachwissen jenseits des Ratstisches. Sie sagt das keineswegs verbittert, eine emotionale Beurteilung von Politik wäre nicht ihre Art. Sie konstatiert stattdessen nüchtern, dass die Stadträte „streckenweise überfordert“ seien. Sie selbst nimmt sich da nicht aus: „Ich kann keine Baupläne lesen“, sagt sie schmunzelnd. Das hatte sie auch nicht müssen, ihr hatte es vor allem die Sozialpolitik angetan. Neue Wohnformen im Alter, das war eines dieser Themen, das sie beschäftigte. Es lässt sie auch heute nicht los. „Wir werden auf jeden Fall neue Formen des Wohnens im Alter entwickeln müssen, denn der Ausbau der stationären Pflege ist endlich.“ Um sich einzubringen, brauche es nicht immer ein ganzheitliches Ratsmandat. Schließlich könne jeder Bürger Vorschläge im Gemeinderat einbringen. „Von dieser Möglichkeit machen viel zu wenige Gebrauch“, sagt die Sozialwissenschaftlerin mit Bedauern.

Also mischt sie politisch mit, wenn es ihr geboten scheint. Doch die Ditzinger Gesellschaft prägt sie mindestens ebenso stark durch ihre Arbeit im Förderverein von Haus Guldenhof mit. Das Pflegezentrum im Stadtteil Hirschlanden feiert 2016 sein Zehnjähriges. Sein Förderverein hat auf dieses Jubiläum bereits vor einigen Tagen angestoßen. Auf die Initiative von Kejcz und ihrer CDU-Ratskollegin, der Ortsvorsteherin Barbara Radtke, war der Verein einst entstanden, noch ehe die Einrichtung bezogen war. Kejcz wurde Vereinsvorsitzende, sie ist es seither. Vor wenigen Wochen wurde sie für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt.

„Ich will den demografischen Wandel aktiv begleiten, das heißt politische Bewusstseinsbildung für die Änderungen mit schaffen helfen, die uns persönlich und gesellschaftlich betreffen“, sagt Kejcz. „Es wäre schön, wenn wir Altwerden und Altsein nicht verdrängen oder nur als enorme Belastung privater und öffentlicher Haushalte sehen, sondern als Aufgabe, die wir konstruktiv angehen.“ Dafür reiche die stationäre und ambulante Versorgung nicht. „Wir brauchen Achtsamkeit für die Älteren, wir brauchen Geschäfte, Einrichtungen und Infrastruktur, die diese Aufgabe reflektieren.“ Sie will dem Thema in Ditzingen deshalb eine größere Öffentlichkeit verschaffen. „Die Arbeit mit den Ehrenamtlichen und die Projekte im Haus sind für mich ein wichtiger Teil.“

Der Förderverein entstand, um die neue Einrichtung im Ort zu integrieren. Die Vereinsmitglieder, die ehrenamtlich Aktiven wiederum sollten sich selbst organisieren können. Die ersten vier Jahre seien davon geprägt gewesen, den Verein im Haus und im Ortsteil zu etablieren, die folgenden vier Jahre davon, Angebote auszuprobieren, erinnert sich Kejcz. Die Besuchsdienste wurden geschaffen, Veranstaltungen organisiert. Seitdem sind auch die Besuchshunde nicht mehr wegzudenken.

Die Ehrenamtlichen erhielten anfangs Schulungen. Diese Seminare erwiesen sich aber bald als wenig hilfreich. „Wichtig ist die direkte Unterstützung“, sagt Kejcz. Das hatte zur Folge, dass sich die Ehrenamtler und die hauptamtliche Pflegekräfte aufeinander einlassen mussten. „Das lief nicht immer konfliktfrei ab.“ Die Ehrenamtlichen wollten in den Tagesablauf integriert werden, obwohl sie sich seit jeher nicht anmelden müssen, die Pflegekräfte wiederum sollten die Ehrenamtlichen gar als Bereicherung wahrnehmen. Von diesen anfänglichen Schwierigkeiten berichtet Kejcz inzwischen aus einer gewissen Distanz. „Die Ehrenamtlichen merken, sie werden wahrgenommen“, sagt sie heute. Das bedeutet aber auch, dass die Mitarbeiter des Hauses die richtige Form der Ansprache und Motivation gefunden haben. Die Vereinsvorsitzende weiß wohl, dass dies ohne die Unterstützung durch die Heimleitung so sicher nicht funktioniert hätte. Zwischenzeitlich sind es 56 aktive Ehrenamtliche, die sich regelmäßig im Haus einbringen.

Den nächsten Schritt in seiner Entwicklung ist der Verein bereits gegangen. Er wird nun in den Ort hinein aktiv, seit er über ein Fahrzeug verfügt, das „Guldenmobil“. Bisher gab es nur Bewegung vom Ort in das Haus hinein. „Jetzt geht es auch mal in die andere Richtung“, sagt Kejcz. Dann etwa, wenn die Ehrenamtlichen auch einzelne Bewohner begleiten können, ob ins Café oder zur Kulturveranstaltung.