Radwege, die plötzlich aufhören, Feinstaubalarm und Stauhauptstadt – Stuttgart verbindet man nicht unbedingt mit Umweltfreundlichkeit. Doch es gibt auch gute Nachrichten: In einigen Bereichen ist die Landeshauptstadt anderen Kommunen ein Vorbild.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Die Landeshauptstadt gibt aufgrund des Feinstaubs und der Stauproblematik oft nicht das beste Bild nach außen ab. Doch es gibt auch gute Nachrichten: In einigen Bereichen ist Stuttgart umwelt- und energietechnisch anderen Kommunen ein Vorbild. Wir haben mit Vertretern der Stadtverwaltung sowie mit einem Experten vom BUND gesprochen und einige Beispiele gesammelt.

 

Sozialticket: Bus und Bahn für jedermann

Wer mit Bus und Bahn fährt, schützt die Umwelt. Damit sich jeder die öffentlichen Verkehrsmittel leisten kann, bietet die Stadt seit 2015 ein Sozialticket an. „Alle Kommunen rund um Stuttgart sind neidisch auf das Sozialticket“, sagt Gerhard Pfeifer, Regionalgeschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Geringverdiener und Erwerbslose erhalten einen 50-prozentigen Zuschuss für die Innenstadtzonen 10 und 20. Anfang 2017 hat Göppingen nachgezogen und hat nun auch ein Sozialticket.

Uhlandschule: Mehr Gewinn als Verbrauch

Vier Jahre lang wurde die Uhlandschule in Stuttgart-Rot für 20 Millionen Euro so saniert und umgebaut, dass sie seit Juli 2017 mehr Energie produziert, als sie verbraucht. Erreicht wurde dies durch die Dämmung von Fassade, Böden und Dach sowie einer Dreischeibenverglasung der Fenster. Neu ist auch die Belüftung: Sensoren messen die Kohlendioxid-Konzentration, und erst wenn der Wert zu hoch ist, wird die Luft ausgetauscht. Vor dem Umbau verursachte die Schule rund 70 000 Euro Energiekosten pro Jahr. Künftig sollen diese Kosten nicht nur eingespart werden, sondern zudem 11 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr ins öffentliche Netz eingespeist werden – so viel wie der Verbrauch von drei Vier-Personen-Haushalten.

Städtische Fahrzeuge: Gas und Strom gegen Schadstoffe

Seit knapp einem Jahr sind in Stuttgart sieben Gas-Müllwagen in Betrieb, weitere sollen folgen. Die Fahrzeuge haben einen deutlich geringeren Schadstoffausstoß als die bisherigen Dieselfahrzeuge. Auch ist der Partikelausstoß reduziert, und sie sind deutlich leiser. Zusätzlich will die Stadt die Pkw aus ihrem Fuhrpark auf Elektromobile umstellen. Auch wenn der nur rund 300 Fahrzeuge umfasse, habe dies eine Vorbildfunktion für die Menschen, sagen die Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Kleingeräte wie Laubbläser und Motorsägen werden jedoch noch mit Benzin betrieben.

Sensibilisierung in Firmen: LED-Licht statt Halogenbirnen

In den vergangenen Monaten sind Mitarbeiter des Amtes für Umweltschutz auf Firmen zugegangen, um diese für das Energiesparen zu sensibilisieren. „Wir waren bei Daimler, Bosch, Mahle, Porsche und Siemens. Nun wollen wir auf die kleineren Unternehmen zugehen“, sagt Friedrich Huster aus der Abteilung Energiewirtschaft. Für Handelsfirmen sei es beispielsweise besonders wichtig, dass diese LED-Lampen nutzen würden. Bei permanenter Beleuchtung sorgen Halogenbirnen dafür, dass sich Räume aufheizen. LED-Lampen geben fast keine Wärme ab und sparen bis zu 90 Prozent Strom.

Geothermie: Tunnelwärme für die Elefanten

Im Jahr 2021 soll der 1,3 Kilometer lange Rosensteintunnel unter dem Rosensteinpark und Teilen der Wilhelma in Betrieb genommen werden. Er soll auch einen Beitrag zur Energiebilanz Stuttgarts leisten. Mithilfe einer Geothermie-Anlage wird Abwärme vom Rosensteintunnel künftig genutzt, um einige Gebäude der Wilhelma zu beheizen. Um das zu bewerkstelligen, werden im Tunnel Wärmetauscherleitungen verlegt. Die Anlage nimmt die Abwärme der Tunnelbetriebstechnik, des Autoverkehrs sowie die Bodenwärme auf und überträgt sie an das Wasser der Wärmetauscherleitungen. Die Stadt erwartet davon die Vermeidung von 201 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr.

Schülerprojekt: Kinder wurden zu Klimahelden

Zwischen 2013 und 2016 wurden mehrere Hundert Stuttgarter Schüler von Experten des Amts für Umweltschutz beraten – dabei ging es etwa um Elterntaxis, das Vermeiden von Müll oder darum, wie man zu Hause Energie sparen kann. Hintergrund des Projekts Klimahelden war, dass nicht nur die Kinder, sondern automatisch auch deren Familien für Umweltschutz sensibilisiert werden.

Zuschuss für Dämmung: Weniger Energie für Altbauhäuser

Optisch sind die zahlreichen Altbauten in Stuttgart eine Bereicherung, für die Energiebilanz sind sie problematisch. Die alten Fassaden lassen viel Wärme nach draußen, wodurch viel Energie unnötig verbraucht wird. Damit die Anwohner mehr tun, als sich nur über die hohen Heizrechnungen zu ärgern, bezuschussen es der Bund, das Land und die Stadt Stuttgart großzügig, wenn Eigentümer ihre Hausfassade dämmen. „Vor allem der Zuschuss der Stadt ist extrem groß und nicht vergleichbar mit dem in anderen deutschen Städten“, sagt Pfeifer vom BUND. Man müsse das Angebot nur nutzen.

Kostenfreie Beratung: Infos, was jeder selbst tun kann

Die Stadt versucht seit einiger Zeit, die Bürger beim Thema Umwelt und Energie mehr mit einzubeziehen. So hat das Amt für Umweltschutz im Mai und Juni zwei Bürgerforen veranstaltet, bei der Stuttgarter selbst Ideen nennen und mit Experten diskutieren konnten, wie Stuttgart bis 2050 klimaneutral werden könne. Zudem können sich Anwohner in einem Erstgespräch kostenlos vom Energieberatungszentrum beraten lassen, wie sie privat Energie einsparen können. In diesem Rahmen erhalten die Bürger Informationen zu Dämmungen, Heizungsanlagen und möglichen Förderungen.