Die immer zahlreicheren Prämien für alte Dieselautos kommen bei Handwerkern nicht gut an, meint die Kammer der Region Stuttgart. Die Handwerker wollen vor allem Sicherheit, dass keine Fahrverbote drohen.

Stuttgart - Im Handwerk lösen die neuen Umstiegsprämien der Autobauer, mit denen alte Diesel durch schadstoffärmere Fahrzeuge ersetzt werden sollen, keine große Begeisterung aus. „Ich glaube nicht, dass die Prämien viele Betriebsinhaber zum Kauf neuer Fahrzeuge bewegen werden“, sagt Thomas Hoefling, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer der Region Stuttgart. Und dies nicht nur, weil das Prämienangebot für Transporter alles andere als übersichtlich sei. Die Erneuerung des Fuhrparks bleibe selbst mit einer Umstiegsprämie bis zu 10 000 Euro je Fahrzeug für einen Betrieb mit mehreren Transportern eine immense Investition. Vor allem, wenn man bedenke, dass Handwerker ihre Fahrzeuge meist mindestens acht Jahre nutzten, so Hoefling.

 

Zudem sei nach dem Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts zum Fahrverbot in Stuttgart nicht sicher, dass Handwerker selbst neueste Diesel der Schadstoffnorm Euro 6 vom nächsten Jahr an uneingeschränkt in Stuttgart nutzen könnten. „Nicht nur für die kleineren Betriebe ist diese Rechnung unsicher. Was die Betriebe eigentlich bräuchten, sind vor allem verlässliche Übergangsfristen für ihren jetzigen Fahrzeugbestand“, sagt Hoefling.

Viele Handwerker wollen wissen ,wie es mit dem Diesel weitergeht

Viele Handwerker wollen derzeit nach Angaben des Hauptgeschäftsführers von der Kammer wissen, wie es mit dem Diesel weitergeht, was sie machen sollen und worauf sie sich verlassen können. „Wir können keine befriedigenden Antworten geben“, bedauert Hoefling. Auch nach dem Spitzentreffen von Automobilindustrie und Politik in Berlin, wo Software-Updates und die Umtauschprämien für Dieselautos beschlossen wurden, habe die Verunsicherung unter den Handwerkern in der Region, die schon groß genug gewesen sei, noch zugenommen. „Inwieweit mit dem vorgesehenen Software-Update die vom Luftreinhalteplan vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden können, bleibt abzuwarten“, meint Hoefling mit Blick auf drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in der Landeshauptstadt. Der Diesel spielt eine zentrale Rolle. Nach einer Umfrage haben bei den Stuttgarter Handwerkern drei Viertel der Fahrzeuge einen Dieselantrieb. Dabei dominierte ganz klar die Schadstoffklasse Euro 5.

Die Stuttgarter Kammer mit ihren gut 29 000 Betrieben und 178 000 Beschäftigten fordert weiterhin, dass Handwerker generell von Fahrverboten ausgenommen werden und dies garantiert bis 2025, damit sie Planungssicherheit haben und ihre Flotten nach und nach erneuern können. Mancher Kleinbetrieb habe erst vor ein oder zwei Jahren einen Diesel der Euronorm 5 angeschafft und wäre laut Hoefling überfordert, wenn er nach kurzer Zeit bereits wieder in ein neues Fahrzeug investieren müsste. Im Luftreinhalteplan für Stuttgart war Lieferverkehr bisher vom Fahrverbot ausgenommen, wozu nach Angaben des Verkehrsministeriums auch die Fahrten von Handwerkern zählen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat diesen Plan jedoch im vergangenen Monat als unzureichend eingestuft und Fahrverbote zum 1. Januar 2018 als effektivste und derzeit einzige Maßnahme zur schnellen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte bezeichnet.

Auch der Verband der Fuhrparkbetreiber ist enttäuscht vom Dieselgipfel

Das Verkehrsministerium weist jedoch darauf hin, dass das Gericht zumindest bei der Verkündung des Urteils keine Bewertung der vorgesehenen Ausnahmeregelungen vorgenommen habe. Zumindest aus dem mündlichen Vortrag lasse sich in diesem Punkt also kein Änderungsbedarf ableiten. Ob die Landesregierung gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts in Revision geht, wird erst entschieden, nachdem die schriftliche Begründung vorliegt. Doch auch eine Fortsetzung des Rechtsstreits würde nach Einschätzung der Handwerkskammer nur einen zeitlichen Aufschub bringen und nichts an der völlig unklaren Situation ändern.

Auch der Bundesverband der Fuhrparkbetreiber (BVF) zeigt sich enttäuscht von den Ergebnissen des Berliner Dieselgipfels. „Der Vorwurf, die Politik sei gegenüber der Wirtschaft eingeknickt, ist durchaus nachvollziehbar“, meint Verbandsgeschäftsführer Axel Schäfer. Der Gipfel trage sicher noch nicht dazu bei, das Vertrauen in die Dieseltechnologie wiederherzustellen. Der Verband fordert, dass die Autohersteller, dort wo es machbar ist, auch zu Hardware-Nachrüstungen bei den Abgassystemen von Fahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 5 und 6 verpflichtet werden. Der Verband vertritt rund 300 Unternehmen, die Fuhrparks zwischen fünf und 22 000 Fahrzeugen betreiben. Zu den Mitgliedern zählen unter anderem der Softwareriese SAP, der Pharmahersteller Boehringer Ingelheim und das Bankhaus Metzler.

Fuhrparkleiter bleiben dem Diesel bisher treu

Nach einer Umfrage, die der Kraftfahrzeugdaten-Dienstleister DAT aus Ostfildern gemeinsam mit dem BVF unter Fuhrparkleitern durchgeführt hat, sind 86 Prozent der Fahrzeuge in Firmenfuhrparks Diesel-Pkw. Benziner spielen mit elf Prozent eine deutlich untergeordnete Rolle. Nach dieser Umfrage, die kurz vor dem Dieselgipfel durchgeführt wurde, ist trotz Abgasskandal und der Diskussion über Fahrverbote keine Abkehr vom Diesel erkennbar. 87 Prozent der Fuhrparkleiter haben ihre Bestellungen von Diesel-Pkw nicht verringert. Bei großen Fuhrparks – mit mehr als 100 Fahrzeugen in der Flotte – sind dies sogar 90 Prozent. Wichtigste Argumente für den Selbstzünder sind dabei niedrigere Kosten und eine geringere Klimabelastung durch den niedrigeren Kohlendioxidausstoß. Auf längere Sicht rechnen 40 Prozent der Fuhrparkleiter jedoch damit, dass die Bedeutung des Dieselantriebs im Vergleich zum Benziner abnehmen wird. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten stimmte der Aussage zu, dass mittelfristig verstärkt alternative Antriebe in der Pkw-Flotte geplant seien.