Ist Powerpoint böse? Lenkt es Zuhörer vom Vortrag ab? Der Gießener Linguist Henning Lobin widerspricht. Ein guter Vortrag ist für ihn eine Performance. In einem Test mit Studenten zeigte sich: von einem reinen Wortvortrag blieb am wenigsten hängen.

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Stuttgart - Anfang des neuen Jahrtausends geisterte eine wenig fundierte „Powerpoint-ist-böse-Debatte“ durch die Feuilletons der Tages- und Wochenzeitungen. Damals konnte der Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik Henning Lobin noch nicht ausgiebig kontern. Es fehlten noch wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema. Doch es beschäftigt ihn bis heute.

 

In der Regel argumentieren die Powerpoint-Kritiker sehr pauschal gegen den Einsatz des Präsentationsprogramms und loben stattdessen die Kunst der Rede, die Rhetorik. Das hat den Linguistik-Professor der Universität Gießen an der Debatte schon von Anfang an gestört. Meist ging es um die Totalverurteilung eines Computerprogrammes. Denn, so argumentiert Lobin, nicht alleine die Tatsache, dass Powerpoint verwendet wird, macht einen Vortrag zu einem schlechten Vortrag. Man müsse selbstverständlich differenzieren.

Eine Studie zum optimalen Powerpoint-Einsatz

Zum einen ist die Kommunikationsform Präsentation eine andere als die des reinen wissenschaftlichen mündlichen Vortrages. Zum anderen – und diesen Part hat Henning Lobin nun selbst in einer umfangreichen Studie erforscht – müsse die Frage gestellt werden, wie die Verwendung von Powerpoint optimal zu geschehen habe. Denn nur der Frage nachzugehen, ob der Einsatz von Powerpoint Verbesserungen in der Vermittlung von Inhalten bewirke, reicht nach Ansicht von Lobin nicht aus.Bisher sei in wissenschaftlichen Studien nie danach gefragt worden, wie Wissensvermittlung angemessen zu geschehen habe. Es müsse nach Ansicht von Henning Lobin unbedingt zwischen einer Präsentation und einem Vortrag unterschieden werden. Denn sowohl für den Vortragenden als auch für den Rezipienten bestehe ein großer Unterschied im Verstehen einer Präsentation mit visuellen Elementen und eines rein sprachlichen Vortrages ohne jegliche Illustrationen. Lobin sagt, dass eine Präsentation weder besser noch schlechter sei, sondern eben einfach ganz anders.

Im Idealfall könnten Präsentationen „eine ganzheitliche dramatische Form“ sein, schreibt Lobin schon im Jahr 2009 in einem Artikel für die Süddeutsche Zeitung zum Thema Powerpoint. Und darin dürften sich sowohl Zuhörer als auch Akteure einig sein. Lobin zufolge sind etwa die früheren Auftritte des inzwischen verstorbenen Apple-Chefs Steve Jobs ein herausragendes Beispiel für rundum gelungene Präsentationen. Jobs verstand es, „seinen Produkten auf einer riesengroßen Medienbühne durch sein Charisma performativ Authentizität“ zu verleihen. So wurden diese zu einer idealen Inszenierung.

Redner und Darsteller zugleich

Eine ideale Präsentation braucht nach Ansicht von Henning Lobin mehreres zugleich: „den perfekten Autor, Regisseur, Bühnenbildner, Redner und Darsteller.“ Und genau dies sei auch der Grund, weshalb wir viel zu oft so schlechte Präsentationen über uns ergehen lassen müssten. Daran änderten auch die zahlreichen Ratgeber zum Thema Powerpoint-Präsentationen nichts. Worum es in den Ratgebern in der Regel nämlich nicht gehe, sei die performative Komponente.

Nur wenn die unterschiedlichen kommunikativen Elemente wie gesprochene und geschriebene Sprache, Gestik und Mimik des Vortragenden sowie die Visualisierungen in Bild, Ton oder Film gleichermaßen von hoher Qualität sind, kann am Ende eine gelungene Gesamtpräsentation dabei herauskommen. Das nach Ansicht von Lobin mit Abstand Schlimmste ist, wenn durch die Powerpoint-Folien eine Bedeutungsverdopplung eintritt. Dies sei nicht nur überflüssig, sondern geradezu kontraproduktiv. In guten Präsentationen hingegen werde etwas in Bildern, Grafiken oder Filmen gezeigt, was sprachlich nicht besser dargestellt werden könnte.

Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass Powerpoint-Präsentationen oft gar nicht mit dem herkömmlichen Vortrag in Konkurrenz stehen, sondern vielmehr dort eingesetzt werden, wo früher überhaupt nicht viel geredet wurde. So wird heute im Gegensatz zu früher viel mehr informiert und präsentiert – und das eben nicht nur in der Lehre, sondern auch in vielen Firmen und in der Verwaltung. In der Studie, die der Linguistik-Professor gemeinsam mit den beiden Wissenschaftlerinnen Malgorzata Dynkowska und Vera Ermakowa durchgeführt hat, geht es jedoch um das erfolgreiche Präsentieren in der Wissenschaft.

Im Test schnitt der reine Vortrag schlecht ab

Für die Studie sind verschiedene Tests mit Studenten durchgeführt worden. Acht unterschiedliche Präsentationsformen – vom rein sprachlichen Vortrag über eine Kombination aus Vortrag mit enger Verzahnung von Text-Bild-Folien bis zur Folienpräsentation ohne Redner – wurden auf ihre Verständlichkeit hin überprüft.Im Anschluss hatten die Testpersonen Fragebogen auszufüllen. Demzufolge bleibt das zu vermittelnde Wissen dann am besten im Gedächtnis haften, wenn die gezeigten Folien sich in sehr hohem Maße auf die Rede beziehen. Dicht gefolgt von der Präsentationsform, bei der das Gesagte auf den Folien paraphrasiert wird und jener, bei der die Verzahnung von Rede mit Text-Bild-Folien erfolgt. Das schlechteste Ergebnis erzielte der reine Vortrag. Sogar bei der Präsentation von Folien ohne Redner blieb mehr Wissen hängen.

Daraus lässt sich schließen, dass die Effizienz der Wissensvermittlung durch den Einsatz von Präsentationssoftware gesteigert werden kann. Die Kritik an Powerpoint scheint nach der Auswertung der Gießener Experimente also weitgehend unberechtigt. Im Wissenschaftsbetrieb wird die visuelle Unterstützung von Vorträgen mittlerweile sogar beinahe erwartet. So sollte es in Zukunft zunächst immer darum gehen, die für das jeweilige Thema am besten geeignete Präsentationsform zu wählen. In Ausnahmefällen kann dies aber auch immer noch die reine Rede sein.

Die Kunst des Überzeugens

Redekunst
Rhetorik ist die Kunst der Beredsamkeit. Sie war schon in der griechischen Antike bekannt. Rhetorik umfasst mündliche, schriftliche als auch mediale Kommunikation und spielt insbesondere in meinungsbildenden Prozessen eine große Rolle. Als herausragendes Beispiel gelten die Wahlkampfreden Barack Obamas. Rhetorik umfasst eine Systematik von Regeln, wie die Vermittlung von Inhalten zu erfolgen hat.

Disziplin
Als praktische Disziplin konzentriert sich die Rhetorik auf die Ausbildung, Übung und Vervollkommnung der persönlichen Fähigkeiten eines Redners. Sie zielt darauf ab, eine Präsentation möglichst wirkungsvoll zu gestalten. Die Rhetorik beschäftigt sich zudem mit der Körpersprache, mimischen Ausdrucksformen, dem Blickkontakt zum Publikum und dem Einsatz von Requisiten zur Unterstützung einer Rede.

Argumentation
Die Argumentation ist in der Rhetorik zwar ein zentrales Überzeugungsmittel, aber nicht das einzige. Darüber hinaus gibt es zwei nicht streng rationale Überzeugungsmittel, welche die Argumentation ergänzen und stützen. Dies sind der Imageaufbau und die Affekterregung. Erst das Zusammenwirken dieser drei Überzeugungsmittel macht das Spezifische rhetorischer Kommunikation aus.