Erwin Staudt steht nicht als VfB-Präsident zur Verfügung. Deshalb muss der Aufsichtsratschef Dieter Hundt einen neuen Kandidaten suchen, den er auf der Mitgliederversammlung am 22. Juli vorschlagen kann.

Stuttgart - Die neue Zeitrechnung in der Mercedes-Benz-Arena beginnt mit Depeche Mode. Am 3. Juni gastiert die Rockgruppe in dem Stadion, in dem der VfB seine Heimspiele in der Fußball-Bundesliga austrägt. Damit begleitet die Band sozusagen den Ausmarsch von Gerd Mäuser, der an diesem Tag sein Amt als Clubpräsident offiziell abgibt. Nach nur zwei Jahren und vielen unglücklichen öffentlichen Auftritten scheidet er vorzeitig aus. Dieser 3. Juni markiert also einen Einschnitt in der Mercedes-Benz-Arena und in der Stuttgarter Vereinspolitik. Wie der anschließende Aufbruch aussehen soll, ist jedoch unklarer denn je. Das liegt an Erwin Staudt (65), der bisher als heißester Nachfolgekandidat von Mäuser gehandelt worden ist. Auch der Aufsichtsratschef Dieter Hundt (74) hatte diese Lösung im Blick. Aber Staudt weist das Anliegen nun entschieden zurück.

 

Am 22. Juli findet die VfB-Mitgliederversammlung statt

„Ich habe immer erklärt, dass das nicht meine Absicht ist“, sagt Staudt gegenüber der StZ, „und diese Entscheidung werde ich auch nicht rückgängig machen – hundertprozentig nicht.“ Das bekräftigte er im Übrigen auch am Sonntagabend bei einem Fantreffen in Schwaikheim. Dadurch hat sich Staudt eindeutig festgelegt – und Hundt gerät immer mehr in Bedrängnis.

Am 22. Juli findet die VfB-Mitgliederversammlung statt. Hundt muss einen Kandidaten vorschlagen. Staudt war der absolute Wunsch aller Gremien beim VfB, vom Aufsichtsrat, vom Ehrenrat, vom erweiterten Vorstand und von der Belegschaft auf der Geschäftsstelle des Clubs. Entsprechende Gespräche zwischen den Instanzen sind auch schon geführt worden. So sah der Plan vor, dass der frühere Deutschland-Chef von IBM und ehemalige VfB-Präsident zwei Jahre in seiner neuen, alten Rolle tätig ist. Parallel dazu sollte er dann seinen Nachfolger finden und schon einarbeiten. Danach hätte Staudt in den Aufsichtsrat wechseln können. Aber das ist jetzt alles hinfällig. „Ich bin am 22. Juli gar nicht im Land, sondern auf einer Kreuzfahrt vor Island“, sagt Staudt, „diese Reise habe ich schon vor einem Jahr gebucht – und dabei bleibt es auch.“ Natürlich habe er gehört, dass sein Name beim VfB zuletzt im Zusammenhang mit dem Präsidentenposten gefallen sei. „Das ehrt mich auch, aber das ist definitiv nicht das, was ich machen möchte.“

Fronten zwischen Führung und Anhängerschaft verhärtet

Damit werden die Karten jetzt wieder neu gemischt – Ende ungewiss. Weil Hundt von vielen Fans kritisch betrachtet wird, rechnet der VfB auf der Versammlung ohnehin mit hitzigen Debatten, nachdem einflussreiche Fangruppen gerade dabei sind, ihre Klientel für die Versammlung zu mobilisieren. Hundt weiß um diese aufgeheizte Stimmung an der Basis. Deshalb war es von Anfang an sein Ziel, eine mehrheitsfähige Lösung zu präsentieren. Aber schon vor dem Korb von Staudt hatte sich die ursprüngliche Idee des Aufsichtsrats mit einem früheren VfB-Profi an der Spitze zerschlagen – erstens weil der dafür auserkorene Hermann Ohlicher (63) das Angebot ablehnte und zweitens weil bei anderen ins Auge gefassten Optionen wie Jens Lehmann (43) womöglich ein Kompetenzgerangel mit dem Manager Fredi Bobic (41) gedroht hätte. So rückte Hundt inzwischen auch von dem Gedanken mit einem Fußballer an der Spitze ab. Nun soll es ein Wirtschaftsfachmann richten. Aber wer?Hundt ist ratlos. Er benötigt eine Persönlichkeit wie Staudt, der sich zwischen 2003 und 2011 als guter Moderator im Club und um den Club herum erwiesen hat. Diese Eigenschaften sind auch jetzt gefragt, da die Fronten zwischen der Vereinsführung und einem Teil der Anhängerschaft verhärtet scheinen. Aber eine den Mitgliedern gegenüber vermittelbare Lösung im Stile Staudts ist weit und breit nicht in Sicht.

Der Umbau beim VfB läuft

Aktuell gibt es nur einen Gegenentwurf zu Hundt. Der Exprofi Karl Allgöwer (56) will beim VfB einsteigen, wenn der Club eine grundsätzliche Neuausrichtung vornimmt (die StZ berichtete). Dann würde der Ex-Nationalspieler mit einem eigenen Team ins Rennen gehen – wobei er den Sportvorstand übernehmen würde.

Diese Position besetzt momentan Fredi Bobic, der gerade dabei ist, die nächste Saison vorzubereiten. Aus Fürth wird der Stürmer Sercan Sararer (23) geholt – und nach StZ-Informationen ist sich der VfB mit einem weiteren Neuzugang einig. Der offensive Mittelfeldspieler Marco Rojas (21) kommt ablösefrei von Melbourne Victory. Der Neuseeländer mit chilenischen Wurzeln wurde auch von anderen Vereinen (Bremen, Hannover, Gladbach) umworben. Zudem zeichnet sich der Abgang von Cristian Molinaro (29) ab. Den Verteidiger zieht es nach England. Ersetzen soll ihn Daniel Schwaab (24) aus Leverkusen.

Der Umbau beim VfB läuft. Auf höchster Ebene ist nur sicher, dass Mäuser am 3. Juni abtritt. Dazu spielt Depeche Mode.