Mehrere Abstimmungsniederlagen in der Regionalversammlung, zunehmend Kritik an ihrer Amtsführung: Die Regionaldirektorin Nicola Schelling verliert an Rückhalt. Wie geht es weiter?

Stuttgart - Die Auseinandersetzung über Kompetenzen und Amtsführung der Regionaldirektorin Nicola Schelling steuert auf einen neuen Höhepunkt zu. Nach Informationen dieser Zeitung wird sich der Verwaltungsausschuss der Regionalversammlung am Montagabend in nichtöffentlicher Sitzung mit der Thematik befassen. Dazu gibt es eine Vorlage von Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU), die von Schelling abgelehnt wird. Sie hat gegenüber Regionalräten bereits schriftlich angekündigt, Widerspruch einzulegen, falls die Vorlage eine Mehrheit findet. Schelling will sich dazu inhaltlich nicht äußern, erklärt aber, dass sie als Regionaldirektorin gesetzlich verpflichtet sei zu widersprechen, wenn die Regionalversammlung einen gesetzeswidrigen Beschluss fasse. „Das hat nichts mit mir als Person zu tun, sondern das ist meine Pflicht als Organ“, sagt sie. Bopp äußert sich mit Verweis auf seine Funktion als Dienstvorgesetzter Schellings nicht zu dem Vorgang.

 

Bei dem Streit geht es letztlich darum, ob, wie weit und unter welchen Bedingungen der Regionalpräsident auf Dienstleistungen der Geschäftsstelle, die von der Regionaldirektorin geleitet wird, zurückgreifen kann. Diese Auseinandersetzung schwelt schon seit dem Herbst 2015 und wird hinter und zuletzt auch immer öfter vor den Kulissen ausgetragen. Dabei gibt es neben Bopp nicht wenige einflussreiche Regionalräte von CDU, SPD, Grünen und Freien Wählern, die Schelling wenig Kooperationsbereitschaft, dafür aber anhaltende Ausdauer bis hin zu juristischen Spitzfindigkeiten vorwerfen. Weil Appelle für eine gedeihliche Zusammenarbeit bisher nicht gefruchtet hätten, müssten der Regionaldirektorin mit dem Beschluss am Montag klare Vorgaben gemacht werden, heißt es.

Andere sprechen von „Mobbing“

Eine andere Sichtweise haben die kleinen Fraktionen und Gruppen in der Regionalversammlung, allen voran die FDP. Sie sprechen von „Mobbing“ und machen dafür in erster Linie Thomas Bopp verantwortlich. Schelling habe zuletzt durchaus Signale für eine Kooperation ausgesendet, sagt der FDP-Fraktionschef Kai Buschmann. „Diese neue Eskalation wird mutwillig herbeigeführt. Es stellt sich schon die Frage, ob Bopp noch Regionalpräsident sein kann, wenn es ihm nicht gelingt, diesen Streit endlich beizulegen.“

Seit der Gründung des Verbands Region Stuttgart im Jahr 1994 klappte die Zusammenarbeit dieser Doppelspitze – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung: Während der Zeit des Regionaldirektors Bernd Steinacher, der politisch bestens vernetzt, inhaltlich firm und strategisch geschickt als „Mister Region“ agierte, konzentrierten sich die Regionalpräsidenten mehr auf ihre Aufgabe als Sitzungsleiter und oberster Repräsentant der Region. Als Steinachers überforderte Nachfolgerin Jeannette Wopperer Anfang dieses Jahrzehnts erkrankte und schließlich ausschied, übernahm Bopp als Regionalpräsident mehr und mehr die regionalpolitische Initiative. Zahlreiche Projekte – vom ÖPNV-Pakt über das dritte Gleis am Flughafen bis hin zur Internationalen Bauausstellung – tragen auch seine Handschrift.

Fehlstart im Tesla

Für Nicola Schelling, die im Frühjahr 2014 ihr Amt antrat, war es nicht einfach, ihren Platz zu finden. Zumal die Juristin, die zuvor beim Land war, von Anfang an klare Kante zeigte. Als es Kritik gab, weil sie einen Tesla als Dienstfahrzeug bestellte, kaufte sie das Elektroauto privat – und rechnet seither ihre Dienstfahrten ab. Aber sie drängte auch in Aufsichtsräte und ging rasch auf Konfrontationskurs zu Bopp, der fast täglich auf der Geschäftsstelle anzutreffen ist und dem sie intern vorwarf, seine Kompetenzen zu überschreiten und in ihre Zuständigkeiten hineinzuregieren. Zuletzt sagte sie der „Südwestpresse“, Bopp wolle ihre Aufgaben „am liebsten übernehmen und es komplett selber machen“.

Aus dieser grundsätzlichen Kontroverse entwickelte sich von Schelling befeuert ein regelrechter Kleinkrieg: es ging um die Nutzung von Sitzungsräumen, die Zuarbeit von Beschäftigten der Geschäftsstelle bis hin zum Einsatz des offiziellen Eingangsstempels. Als Schelling Bopp den Zutritt zur Geschäftsstelle verwehrte, reagierte der mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde, die er später wieder zurückzog. Es passt ins Bild, dass es später Streit darüber gab, wer die Anwaltskosten Schellings übernimmt.

Auf dem Podium herrscht Funkstille

Nach außen drangen diese Auseinandersetzungen nur selten, die Eiszeit an der Doppelspitze war aber zu beobachten: Wenn Bopp und Schelling gemeinsam auf dem Podium sitzen, würdigen sie sich keines Blicks. Gespräche untereinander finden nicht statt. Veranstalter wissen bereits, dass sie den beiden am besten weit entfernte Sitzplätze in der ersten Reihe zuweisen.

Seit Anfang des Jahres hat sich die Situation aber weiter zugespitzt. Ausgangspunkt ist ein Organisationsgutachten, das die Aufgabenbereiche von Regionalpräsident und -direktorin untersuchte und Formen der Zusammenarbeit vorschlägt. Dieses Gutachten für den Ältestenrat wollte Schelling vorher juristisch prüfen. Als der Gutachter aus einer renommierten Kanzlei in Heilbronn dies ablehnte, wies Schelling ihn an, das Gutachten zu vernichten. Erst das Einschreiten von Regionalräten aus dem Ältestenrat stoppte dies. Dennoch reiste der Gutachter einmal vergeblich zu einer Ältestenratssitzung und musste Stunden vor der Tür warten, weil Schelling seinen Bericht verhindern wollte.

Juristische Scharmützel

Auch danach waren die Debatten geprägt von juristischen Scharmützeln, sie gipfelten schließlich in einer denkwürdigen Sitzung der Regionalversammlung Ende Juli. Die Mehrheit aus CDU, Grünen, SPD und Freien Wählern hatten Schelling nicht für den Aufsichtsrat der Internationale Bauausstellung (IBA) nominiert. Als doch eine Wahl stattfand, erhielt Schelling nur sechs von 80 möglichen Stimmen. Zuvor schon war sie mit dem Antrag, den Vorsitz einer europäischen Städteinitiative zu übernehmen, gescheitert. Zudem entzog ihr die Regionalversammlung mehrheitlich die Verantwortung für das Protokoll.

Intern bewerten Regionalräte dies als deutliches Zeichen, dass es sich längst nicht mehr nur um einen Kompetenzstreit zwischen Schelling und Bopp handelt, sondern dass die Amtsführung der Regionaldirektorin in den großen Fraktionen CDU, Grüne SPD und Freie Wähler nicht mehr hingenommen wird. Aus Sicht der FDP und den Rechtsaußen der AfD und Innovative Politik sollte Schelling dagegen von der Mehrheit bewusst vorgeführt werden – gewissermaßen als Warnung, was noch passieren könnte. Intern habe sie sowohl in der IBA- als auch in der Protokollfrage bereits eingelenkt gehabt, betont Buschmann. „Das ist nicht nur ein Schwarz-Weiß-Bild“, sagt er.

Wie es jetzt weitergeht? Die meisten Regionalräte sind da ratlos. Schellings Amtszeit läuft bis 2022, sie kann vorher nicht abberufen werden. Eine Wiederwahl gilt aber auch als ausgeschlossen.