Drei Jahre nach Beginn ihrer praxisorientierten Erzieherausbildung (Pia) verstärkt und bereichert der erste Absolventenjahrgang der Hedwig-Dohm-Schule die Stuttgarter Kindertagesstätten.

Stuttgart - Drei Jahre nach Beginn ihrer praxisorientierten Erzieherausbildung (Pia) verstärkt und bereichert der erste Absolventenjahrgang der Hedwig-Dohm-Schule die Stuttgarter Kindertagesstätten. Die frisch gebackenen Erzieher überraschten ihre Lehrer nicht nur durch ihr Engagement, ihre Offenheit und ihre ungewöhnlich guten Abschlussleistungen – fünf Absolventen erhielten Preise, acht bekamen eine Belobigung. Die 17 Frauen und fünf Männer zwischen 21 und 52 Jahren, die aus zehn unterschiedlichen Nationen stammen, bringen darüber hinaus auch sehr breit gefächerte Erfahrungen an ihre künftigen Arbeitsplätze mit. Ihre Jobs können sie sich deshalb allesamt aussuchen.

 

Marko Akin: männliche Vorbilder sind wichtig

So hatte der 34-jährige Marko Akin erst drei Jahre Informationsdesign an der Hochschule der Medien studiert, bevor er beschloss, die neuartige Erzieherausbildung zu machen, bei der die Teilnehmer von Anfang an neben ihrer schulischen Ausbildung einen festen Arbeitsplatz in einer Kita haben und eine monatliche Vergütung von durchschnittlich 800 Euro erhalten. Neben seinem Studium hatte Marko Akin Kinder der Rosenschule in Zuffenhausen bei den Hausaufgaben betreut – „da hab ich gemerkt, dass ich gut mit Kindern kann“. Zudem musste er feststellen: „Webseiten zu programmieren, war mir zu monoton.“ Sein Umfeld, räumt er ein, sei „erst mal überrascht“ gewesen. „Aber in meiner Praxisstelle kann ich meine Erfahrungen im IT-Bereich einsetzen – ich mache Filmprojekte und den Computerführerschein mit den Hortkindern.“ Und für die Kinder sei es schließlich wichtig, auch männliche Vorbilder zu haben.

Auch Daniela Gjungjek (34) stellte erst nach zehn Semestern Jura in Tübingen fest, dass ihre Berufung woanders ist. Von Pia erfuhr sie durch eine Freundin. „Ich konnte schon immer gut mit Kindern umgehen“, wie sie beim Nachhilfegeben gemerkt habe. Der neue Beruf mache sie zufrieden: „Man kann was Positives für die Kinder bewirken.“

Sevim Calayir wollte etwas Neues machen

Stephanie Maier (22) fand beim schriftlichen Abi am sozialwissenschaftlichen Gymnasium in Aalen einen Flyer über Pia – und entschied sich im Jahr des Doppeljahrgangs beim Abitur für die Erzieherausbildung. Im Herbst würde sie gern eine Bachelorausbildung an der Hochschule für Sozialwesen in Esslingen draufsetzen, alternativ eine Fortbildung zur Reittherapeutin – und parallel mit 20 Prozent in ihrer Stammkita weiterarbeiten, „um in der Praxis drinzubleiben“.

Sevim Calayir (45) wollte einfach noch mal was Neues machen. Die Mütter zweier Kinder, vielen Stuttgarter Eltern noch durch ihre Tätigkeit als Elternbeiratsvorsitzende der städtischen Kitas und durch ihre Kurse im Elternbildungsseminar bekannt, entschied sich nach ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit als Krankenschwester in der Sana-Herzchirurgie für die Pia-Ausbildung. „Ich habe gemerkt, dass das Berufsbild der Erzieherin mir sehr liegt.“ Calayir räumt aber auch ein: „Meine Familie hat mich unterstützt – sonst hätte ich das nicht geschafft.“

Sevim Calayir ist die einzige in der Runde, die nur einen Zeitvertrag hat – und zwar nicht in einer Kita, sondern als Pflegekraft von Erstklässlern in der Gustav-Werner-Schule, einer Schule für Geistigbehinderte. „Ich wollte unbedingt da arbeiten“ erklärt die 45-Jährige und strahlt. Nun überlege sie sich, ob sie noch die zweijährige Zusatzausbildung für die Betreuung von Kindern mit Mehrbedarf anschließt.

Rückblickend meint sie: „Wir sind eine sehr vielfältige Klasse gewesen. Das war eine sehr große Herausforderung für die Lehrer.“ Das bestätigen auch diese sowie der Rektor Dieter Göggel, der sich von so einer beruflichen und kulturellen Vielfalt beeindruckt zeigt. Auch die Klassenlehrerin Gabriele Riffel räumt ein: „Ich habe nicht geahnt, was da auf mich zukommen würde.“ Für sie steht fest: „Das Experiment Pia ist gelungen.“ Beglückend sei für sie gewesen, bescheinigt sie den Absolventen, „wie Sie das Wissen aufgesaugt haben, es aber nicht unkritisch übernommen, sondern auch hinterfragt haben“.