Das älteste und anscheinend immer noch spannendste Thema von allen: Im neuen interaktiven Stück des Jungen Ensembles Stuttgart dreht sich alles um Sex und Liebe.

Lokales: Sybille Neth (sne)

S-Mitte - Selbst die Werbung für billigen Sekt ist heute als Softporno verpackt. „Ist Sex Kommunikation oder Privatsache?“ lautet deshalb eine der zentralen Fragestellungen im jüngsten Stück des Jungen Ensemble Stuttgart (JES). Vergangenen Samstag hatte das Drei-Frauen-Stück mit dem Titel „Heartcore Research 14+“ Premiere. Es wendet sich vorzugsweise an Jugendliche, denn die stehen in der sich so freizügig gerierenden Gesellschaft unter enormem Druck. Das Thema lauert überall: in der Schule, im Internet, in den sozialen Netzwerken.

 

Heartcore Research will diese Spannung auflösen. Das Stück schaut hinter die Kulissen und versucht, eine lockere Atmosphäre fern von Leistungsdruck zu schaffen. Zunächst betritt der Zuschauer einen schummrigen Ausstellungsraum, der sonst als Probenbühne dient. Blaue und rote Perücken schmücken Stellwände, auf denen erotische und weniger erotische Fotos, Zeitschriftenausrisse und Gedichte gepinnt sind. Dazwischen zwei Tischchen mit Geschlechtsteilen aus goldenem Kunstleder unter einer Glashaube.

Ein Porno mit Barbie und Ken

Zur Auflockerung streckt einem die Schauspielerin Prisca Maier einen Klumpen Teig entgegen mit der Aufforderung, beim Vanillekipferl-Backen mitzumachen. Die sind übrigens dann am Ende der Vorstellung tatsächlich fertig und werden ofenfrisch vom Publikum verspeist. Zuvor hat sich auch das Geheimnis um das Gebäck gelüftet. Es ist weit mehr als ein Gag im Stück , sondern gehört zu der wahren, anrührenden Geschichte einer alten Dame.

Vergeblich sucht der Zuschauer nach einer Sitzgelegenheit. Bei Heartcore Research kann er sich nicht zurücklehnen, sondern ist gefordert. Das beginnt schon beim Hin-und-Her-Rennen zwischen Pro und Contra als Antwort auf Quizfragen. Die Schauspielerinnen Elisabeth Kakob, Prisca Maier und Sabine Zeininger arbeiten mit den Zuschauerreaktionen. Alles ist in Bewegung in diesem Spiel mit sechs Levels. In denen arbeiten sich Schauspielerinnen und Zuschauer langsam hoch zur Höchstanforderung: der Liebe.

Das Stück meint es nicht immer ganz ernst

Dazwischen drehen die Zuschauer einen Pornofilm mit Barbie und Ken im Ehebett, stöhnen an einer Loop-Station ins Mikrofon und studieren einen eindeutig zweideutigen Tanz ein. Sie sehen Interviews mit einem Porno-Darsteller (immer Sex), einem Transsexuellen (schwieriger Sex) und einem jungen Zeugen Jevohas (kein Sex). Das Publikum hört sich Beschreibungen über seltsame Sexualpraktiken an und beobachtet sich gegenseitig bei den Reaktionen darauf. Und endlich lüftet Schauspielerin Prisca Maier das Geheimnis um einen Leder-Trenchcoat mit Pelzkragen, der an einer Wäscheleine mitten im Raum baumelt. Er birgt ein Geheimnis, das hier nicht verraten werden soll. Aber es beinhaltet die ganze Tragik einer lesbischen Frau, die sich zeitlebens verleugnen musste. Da kommen die Vanillekipferl wieder ins Spiel, denn die alte Dame hat Prisca Maier zu diesem Gebäck ihre Lebensgeschichte anvertraut.

Die drei Akteurinnen haben zusammen mit Regisseur Christian Müller für die interaktive Theaterrevue bei Pornodarstellern wie Sexualpädagogen recherchiert und haben mit Jugendlichen über ihre Gefühle gesprochen. Heartcore Research 14+ ist das Kaleidoskop all dessen – und nicht immer ganz ernst gemeint.