Beim Pressestammtisch der Filderzeitung und des Stadtseniorenrates referierte der StN-Redakteur Michael Weißenborn über die Rolle der Bundesrepublik.

Möhringen/Echterdingen - Unterschiedliche Meinungen gehören zur Demokratie und machen manche Diskussion auch erst richtig spannend. Beim Pressestammtisch, einer gemeinsamen Veranstaltung der Filder-Zeitung und des Stadtseniorenrates, kam es am Dienstag zum Schluss schon fast zu einem verbalen Schlagabtausch. „Wie hätte Wladimir Putin denn reagieren sollen. Hätte er die Krim einfach der Nato überlassen sollen?“, wollte ein Zuhörer von Michael Weißenborn beispielsweise wissen. Und: „Welches Nato-Land wurde denn angegriffen?“

 

Putin und der Westen driften immer weiter auseinander

Der Politik-Redakteur der Stuttgarter Nachrichten (StN) hatte sich der Frage gestellt, welche Rolle Deutschland – 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – in der Welt spielen darf und soll. Er hatte dabei auch die Ukraine-Krise und das Machtspiel des russischen Präsidenten angeschnitten. „Was machen wir, wenn Putin wieder Öl ins Feuer gießt?“, fragte er sein Publikum. Und ergänzte: „Der Westen will sich nicht weiter veräppeln lassen.“

Deutschland macht sich in der Welt einen neuen Namen

Weißenborn machte gleich zu Beginn keinen Hehl daraus, dass er als „Kind des kalten Krieges“ mit der Teilüberschrift des Vormittags: „Deutschlands Rolle als Weltpolizist“ nicht viel anfangen kann. Dieser Halbsatz könne nur als Provokation verstanden werden. Deutschland habe zwar Macht. Das Land sei ein wichtiger Nato-Partner. Das habe unter anderem der G7-Gipfel auf dem oberbayerischen Schloss Elmau gezeigt. Deutschland sei im Ausland beliebt, deutsche Produkte seien gefragt. Das Land sei regelrecht sexy geworden. Sogar viele Israelis seien nach Berlin gezogen – trotz Hitlers schrecklicher Machenschaften und diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte. Im Pazifik aber spiele Deutschland kaum eine Rolle.

Aufrüsten- ja oder nein?

„Wir schrecken weiter davon zurück, das Militär als Pfeiler unserer Demokratie zu betrachten“, stellte der Journalist fest. Der Druck der Nato-Partner auf die deutsche Regierung aber wachse. Das Land, das sich in den vergangenen Jahrzehnten militärisch sehr stark zurückgehalten habe, müsse wieder mehr Verantwortung übernehmen. Die Reaktion aus dem Publikum folgte prompt: „Der Balkankrieg sowie die Krise in der Ukraine haben uns Milliarden an Euro gekostet – und auch viele Menschenleben.“

Daraufhin sagte Weißenborn: „Die Isolation Deutschlands ist keine Option mehr.“ Die „deutsche Passivität“ sei nicht zu halten. Denn, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier zuletzt beim Evangelischen Kirchentag gesagt habe, sei nicht zu handeln auch eine Form des Handelns.

Deutschland müsse sein Verhältnis zu Amerika verbessern, sich weiter auf seine Kernkompetenzen im Ingenieurwesen konzentrieren, friedliche Nachbarschaftspolitik betreiben und den Austausch zwischen Ländern und jungen Leuten fördern.