Hoher Besuch in Hohenlohe: Der britische Thronfolger Charles fachsimpelt mit Biobauern aus Baden-Württemberg über die Weidehaltung des Schwäbisch-Hällischen Landschweins.

Hohenlohe - Cröffelbach, ein verschlafenes 200-Seelen-Dorf im Hohenlohischen: Dort, am Ufer des Flüsschens Bühler, ist ein Zelt aufgebaut, mit Birken festlich geschmückt. In einem kleinen Pferch tummeln sich acht Schwäbisch-Hällische Ferkel, die Muttersau durchwühlt grunzend das Stroh. Auf der Weide grasen Limpurger Rinder, Hohenloher Fleckvieh und das berühmte Boeuf de Hohenlohe. Ländliche Idylle pur. Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) hat den britischen Thronfolger zu Gast. Lange war die Begegnung zwischen dem Bio-Prinzen und den Bio-Bauern geheim gehalten worden. Sicherheit ist beim Besuch von „HRH“, wie seine Königliche Hoheit genannt wird, schließlich oberstes Gebot. Und doch haben sich zahlreiche Pressevertreter eingefunden.

 

Den Prinzen im grauen Nadelstreifenanzug und weißer Nelke im Knopfloch kümmert das wenig, das ist er gewöhnt. Charles interessiert sich vor allem für die Weidehaltung des Schwäbisch-Hällischen Landschweins. BESH-Vorstand Rudolf Bühler erzählt von der Rettung der als ausgestorben gegoltenen alten Landrasse. Charles hört aufmerksam zu, fragt immer wieder nach. Und greift beim Wurstbuffet von Metzgermeister Dieter Mayer tüchtig zu. „Ich könnte den ganzen Tag hier bleiben und essen“, sagt der von Leber- und Blutwurstkostproben begeisterte Prinz.

Eingefädelt hat das Treffen der freundliche ältere Mann mit Vollbart und Hut, der sich bescheiden neben dem Prinzen hält. Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, gilt als Wegbereiter für den Ökolandbau in Deutschland und darüber hinaus. Der 70-Jährige hat Anfang der 1980er Jahre den europaweit ersten Lehrstuhl für Ökolandbau an der Universität Kassel in Witzenhausen aufgebaut und hatte ihn jahrelang inne. Der gute Ruf des Agrarwissenschaftlers reichte bis ins Königreich.

„Charles ist überzeugt von Ökolandbau“

1982, erzählt Vogtmann, habe er den Prinzen das erste Mal getroffen. Der Deutsche, den Charles „Hardy“ nennt und den er schlicht mit „Sir“ ansprechen darf, wurde zum Berater. Er stellte dessen Güter Cornwall und Highgrove auf ökologischen Landbau um. Oft hat er dem Prinzen vom Engagement der Hohenloher für das Schwäbisch-Hällische Landschwein und das Boeuf de Hohenlohe erzählt, ihn neugierig gemacht. Vogtmann sagt: „Charles ist völlig überzeugt von Ökolandbau, wenn er sich auch der Politik wegen manchmal etwas zurückhalten muss.“

Derweil hat auf Schloss Langenburg ein Symposium zu nachhaltiger und regionaler Lebensmittelproduktion begonnen. Philipp Fürst zu Hohenlohe-Langenburg sowie Joschka Fischer & Company haben rund 100 Experten geladen, unterstützt wird das Treffen von Prinz Charles’ Organisation International Sustainability Unit (ISU). Die Konstellation ist kein Zufall: und Prinz Charles sind eng verwandt – die Großmutter des Langenburgers war die älteste Schwester von Charles’ Vater Philip. Und Metzgerssohn Joschka Fischer hat seine Kindheit in Langenburg verbracht.

Nachhaltige regionale Nahrungssysteme sind das Thema, das Erzeuger, Händler, Verbraucher, Politiker, Umweltschützer und Experten für Ernährungssicherheit diskutieren. Unter den Teilnehmern sind Claus Hipp, Babynahrungshersteller, Rewe-Vorstandschef Alain Caparros, der für Ernährung und Landwirtschaft zuständige UN-Vizegeneraldirektor Alexander Müller oder die deutsche Slow-Food-Präsidentin Ursula Hudson. Verbraucherschutzminister Alexander Bonde (Grüne) vertritt das Land, das die Vorzeigeregion Hohenlohe mit der höchsten Dichte an Bio-Betrieben in ganz Deutschland vorzuweisen hat.

Der Prinz geißelt den Ruf nach immer billigeren Lebensmitteln

Am späten Nachmittag krönt Prinz Charles die Runde. „Ich sage es sehr ungern, dass es über 50 Jahre her ist, dass ich das letzte Mal hier war“, beginnt der 64-Jährige in schönstem Deutsch entschuldigend mit Blick auf die Verwandtschaft. Dann findet er deutliche Worte gegen Agrarindustrie und für Nachhaltigkeit. Er spricht den Pferdefleischskandal an, geißelt den Ruf nach immer billigeren Lebensmitteln und die Transporte rund um den Globus. Und er lenkt den Blick auf die Situation der Erzeuger. „Wir verlieren immer schneller unsere Bauern“, mahnt der Prinz, „immer weniger junge Leute wollen diesen unrentablen Beruf ergreifen.“ Und er lobt das Engagement in Baden-Württemberg: „Es gibt viele Initiativen, die Motor für einen Wandel sein könnten.“

Kerstin Gronbach aus Michelbach/Heide hat ihren Anhänger mit der Aufschrift „Die kleine Schweineschule“ gut sichtbar vor den Schranken zum Schloss abgestellt. In dem kleinen Gatter tummeln sich Schwäbisch-Hällische Ferkel. „Wo kommt das Essen her, das ist doch hier das Thema“, begründet die 49-Jährige ihr Kommen, „und das ist ja auch das, was ich den Kindern in meiner Schule vermitteln will.“ Die Jungen und Mädchen, welche ihre Ferien in dieser ungewöhnlichen Schule verbringen, winken mit Fähnchen.

Beifall und Jubel für den händeschüttelnden Thronfolger

Für die meisten der rund 100 Schaulustigen vor dem Burggraben ist die Fachdiskussion aber Nebensache. Sie wollen nur einen Blick auf den Mann erhaschen, der einmal mit Lady Di verheiratet war. Der Mann, den sie aus den Klatschmagazinen gut zu kennen glauben. Älteren ist der Besuch von Königin Elizabeth II. in Langenburg noch in bester Erinnerung. Charles’ Mutter gönnte den begeisterten Hohenlohern damals, 1965, ein Bad in der Menge. So branden natürlich Beifall und Jubelrufe auf, als Charles nach der offiziellen Begrüßung durch den Hausherren und dessen Familie – und mit Küsschen links und rechts für die Damen - über den Burggraben zurück zur wartenden Menge geht und eifrig Hände schüttelt.

Dann verschließen Polizeibeamte die schmiedeeisernen Tore zum hoch über dem Jagsttal gelegenen Schloss. Dort genießen am Abend die Gäste ein Menü, das Starkoch Eckart Witzigmann und Kollegen bereitet haben: Geräucherter Saibling mit Grünspargel und Wildkräutersalat, Sülze vom Reh aus Langenburger Jagd, Boeuf de Hohenlohe mit Filderkraut und Schupfnudeln sowie Erdbeeren und Rhabarber mit Griesknödel und Waldmeistereis. Alle Produkte stammen – natürlich – aus Hohenlohe.

Am Dienstag, vor Charles’ Abreise nach Osteuropa wird der Bürgermeister von Langenburg, Wolfgang Claas, dem Prinzen von Wales noch einen Korb mit Langenburger Delikatessen überreichen: Birnenschaumwein, Holundersekt, Schafskäse, Ziegenwurst und das Lokalgebäck Wibele. Das Biskuit soll, so geht die Legende, schon Königin Viktoria erfreut haben.