Prinz Porno beschimpft Frauen und andere Rapper und zeigt in seinem aktuellen Musikvideo eine Straftat. Sein Konzert in Stuttgart zeigt am Donnerstagabend, warum er all dem zum Trotz aktuell auf Platz eins der Charts steht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Dass derzeit so viel von Rapmusik die Rede ist, hat einen einfachen Grund: Das Zeug verkauft sich gut. Aktuell steht Prinz Porno an der Spitze der deutschen Albumcharts, und wie es der Zufall will, hat der Rapper aus Berlin am Donnerstagabend ein ausverkauftes Konzert in den Wagenhallen in Stuttgart gegeben.

 

Auch wenn hier vom reinen Hit- und Verkaufspotenzial kein neuer Cro auf der Bühne steht, kann man da mal hingehen. Zumal das Konzert von der Firma Chimperator Live veranstaltet wird, die am Dienstag Curse ebenfalls in die Wagenhallen geholt hat und Stuttgart gerade zu einer der führenden Städte in Sachen Hip-Hop-Konzerte aufbaut.

Betonung auf Konzert. Denn mit Jams in irgendwelchen verrauchten Clubs haben Abende wie der mit Prinz Porno und seinem Co-Rapper Kid Kobra höchstens noch die Beats gemein, über die gerappt wird. Ansonsten wird alles aufgefahren, was man von Popkonzerten so kennt: Lasershow, Nebelmaschine, Security und ein Graben zwischen Bühne und Fans. In der ersten Reihe stehen die Mädels, weiter hinten die Jungs, die ein wenig wilder ihre Arme in der Luft schwenken, wenn sie aufgefordert werden – beim Konzert von Prinz Porno passiert das gefühlt zwei Mal pro Song. Und, klar, einmal wünscht der Rapper auch, dass das Publikum mitklatscht. Klappt.

Aus Porno wird Pi wird Porno

Prinz Porno war zuletzt als Prinz Pi bekannt, sein Album „Kompass ohne Norden“ schaffte es 2013 bereits auf Platz eins der Charts. Jetzt eben als Prinz Porno „pp=mc²“. Prinz Porno nannte sich der Berliner Friedrich Kautz früher mal, umbenannt hat er sich gerüchtehalber, weil das Feuilleton früher ja wohl keine Rapper besprochen hätte, die sich Prinz Porno nennen.

Wurscht. Das Interessante an der Show ist neben den gut reinlaufenden Beats, wie reflektiert das alles rüberkommt. Kautz wechselt in seinen Ansagen regelmäßig auf die Metaebene. Er berichtet beispielsweise, dass er erst nach dem Abi auf Anraten seiner Mutter richtig zu rappen begonnen hat. Nach etwa zwei Dritteln des Konzerts sagt der 35-Jährige: „Damit wir nachher noch die Kurve kriegen, müssen wir jetzt erstmal ein bisschen chillen.“ Lässt einen jazzigen Beat laufen, das Publikum soll mitschnippen – Motto: lass nochmal ganz bewusst Kräfte sammeln, bevor wir zum Schluss nochmal richtig abgehen.

Du Hure, hihi

Diese Reflektiertheit kennt man beispielsweise von Rockkonzerten nicht, wo es ja oft genug um die Überwältigung des Publikums geht und nicht darum, sich immer mal wieder zu versichern, an welcher Stelle des Spannungsbogens man sich gerade befindet. Friedrich Kautz schafft so auch eine Distanz zu seiner Prinz-Porno-Rolle: Ein Song wie „Du Hure“, zu dem hunderte 17-Jährige die Zeile „Jeden Monat wünsch’ ich mir du verblutest an deinen Tagen“ mitrappen, ach was mitschreien – kommt so nur wie eine bewusst eingenommene Haltung rüber, die man zeitweise einnimmt. Und so geht es fast das ganze Konzert über.

Damit werden viele nichts anfangen können, weil solche Texte eben aus dem reichlich verrohten Battlerap kommen und man schon das entsprechende Gemüt oder zumindest reichlich Toleranz haben muss, um sich an solchen Zeilen nicht zu stören. Ganz grundsätzlich unterscheidet sich dieses Rollenspiel aber keineswegs von dem, was Popgrößen wie David Bowie schon immer gemacht haben. Der Mensch verkleidet sich eben gern.

Prinz Porno braucht dafür nicht mal eine Maske. Auf der Bühne sieht er mit Hornbrille und Bart genauso hip aus wie sein gut durchmischtes Publikum. Klassische Kopfnicker stehen da neben der Rucksack- und Turnbeutelfraktion, im Schnitt eher um die zwanzig als um die dreißig, Skinny Jeans und Baggy Pants halten sich in etwa die Waage.

Mit diesen Eindrücken im Kopf klickt man nochmal das aktuelle Video von Prinz Porno an: „Parfum (Eau de Porneau)“ heißt der Song. U-Bahn-Tunnel, ein düsterer Neunziger-Beat, Leute schauen böse und ziehen Sturmmasken auf. Eine Berliner U-Bahn wird besprayt, diese Straftat wird mit Kunstnebel inszeniert, MC Fitti kriegt sein Fett ab und Schwaben auch. „Du stehst im Feuilleton von der Zeit und dem Spiegel / Ich bin auf dem Cover und allen Seiten der Bibel“, rappt Prinz Porno.

Welcher Rapper hätte vor zehn Jahren je das Wort „Feuilleton“ in seiner Single ausgesprochen? Deshalb trifft man die Gangsta- und Battle-Rapper mittlerweile genau dort.

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