Seit Februar patrouillieren im Auftrag des Rathauses Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes an den Wochenenden nachts durch die Altstadt. Wir haben die Wachmänner Samstagnacht begleitet.

Herrenberg - Nachts sind bekanntlich alle Katzen grau. Die Wachleute jedoch tragen schwarz: Uniform, Barett, das an Militärkäppis erinnert, Schlagstock, Taschenlampe. Alles ist schwarz, auch die modernen Streifenwagen, die an Polizeiautos erinnern, ausgerüstet mit Digitalfunk, Navi und Videoüberwachungsanlage.

 

„SOS-Security Guard“ prangt in weiß-silbernen Lettern auf den Autos, genauso wie auf der Brust der Wachmänner. Seit vier Monaten sind die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes SOS immer an den Wochenenden nachts unterwegs.

Ihre Aufgabe: Betrunkene Wildpinkler zur Ordnung rufen, Randalierer von Sachbeschädigungen abhalten, Schlägereien zwischen Jugendlichen beenden, bevor diese eskalieren. „Wir erwischen pro Nacht drei bis vier Wildpinkler“, sagt SOS-Chef Thomas Schwabbauer. So auch einen, der vor einigen Wochen gegen die Fensterscheiben der Kreissparkasse urinierte.

Die Beschwerden der Anwohner und Geschäftsleute der Altstadt häuften sich in den letzten Jahren. Vor allem samstagmorgens sah es meist wüst aus. „Ich musste regelmäßig Erbrochenes und Glasscherben vor der Ladentür wegputzen“, berichtet Uta Zastrow vom Kosmetikstüble Nofretet in der Spitalgasse. „Pflanzen wurden rausgerissen, Blumenkübel umgestoßen.“

Der Securitymann ist fit in mehreren Kampfsportarten

Die Finanzbürgermeisterin Gabrielle Getzeny hatte genug. Sie engagierte Thomas Schwabbauer, der vor 27 Jahren seinen Sicherheitsdienst in Herrenberg gegründet hat. Der 54-Jährige ist eine schillernde Persönlichkeit mit einer bewegten Vergangenheit: ein Muskelpaket mit Goldkette am Arm und einem Dobermann als Schoßhund, Pistole in Halfter, ausgebildet in verschiedenen Kampfsporttechniken, Träger des neunten Dans im Judo, Motorradfahrer, Rettungstaucher. Er hat jahrelang als Stuntman für Kino- und Fernsehproduktionen gearbeitet: „Ich habe bei dem Film „Das Boot gedoubelt“.

Seine militärische Grundausbildung erwarb er sich als junger Mann bei der französischen Fremdenlegion, in die er nach seiner Flucht aus Ungarn 1981 eintrat. Sechs Jahre später gründete er im heimischen Wohnzimmer in Herrenberg den Sicherheitsdienst SOS. 300 Mitarbeiter in fünf Ländern hat er. Objekt-, Werks- und Personenschutz sind die Hauptgebiete der Firma mit Hauptsitz im benachbarten Ammerbuch (Kreis Tübingen).

Samstag, 2 Uhr
Dienstbeginn: Schwabbauer meldet sich und seinen jungen Kollegen Peter Golya beim Herrenberger Polizeirevier an. Der Umgangston ist freundschaftlich. „Wir arbeiten eng zusammen. Diese Präsenz wie die Wachleute können wir nicht leisten“; sagt Polizeihauptkommissar Holger Hertkorn, der in der Einsatzzentrale des Reviers die Nachtschicht hat. „Wir stehen auf derselben Seite“, sagt Schwabbauer. Er fragt nach besonderen Vorkommnissen. „Trotz eines Festes im Jugendhaus ist alles ruhig“, sagt der Polizist.

2.15 Uhr
Unablässig patroullieren die Männer die nächsten Stunden durch die Altstadt. Im Laufschritt eilen sie die Treppe beim Nufringer Tor hinab, leuchten in jeden Winkel. Mit dem Streifenwagen brausen sie durch die Einkaufspassage am Bronntor. Nur wenige Menschen sind in dieser verregneten Nacht unterwegs.

Dafür machen die Wachmänner jede Menge Falschparker aus. Raus aus dem Streifenwagen, Schwabbauer macht ein Foto vom Auto, Golya gibt die Daten an die Zentrale des Sicherheitsdienstes in Ammerbuch weiter. Später wird Schwabbauer seinen Bericht an die Polizei schreiben. Die Falschparker erwartet ein Knöllchen. In anderen, brenzligeren Situationen, rufen die Wachmänner per Funk oder Handy gleich die Polizei zur Unterstützung. „Wir dürfen niemanden festnehmen“, sagt Schwabbauer. Aber er darf Straftäter solange festhalten, bis die Polizei vor Ort ist. Wer die bulligen Wachmänner trifft, wird schnell kleinlaut.

Ein Plausch mit dem Türsteher der Disco

4.05 Uhr
Die Security-Leute beobachten zwei junge Männer, die auf ihrem Heimweg nach einer durchzechten Nacht gegenüber der Stadthalle eine Absperrung um ein frisch eingesätes Rasenstück niederreißen. Schwabbauer drückt aufs Gaspedal, springt aus dem Wagen, „He, was macht ihr da?“ Verdutzt bleiben die Betrunkenen stehen. „Seit wann gibt es euch?“, fragt der eine. „Seit Februar“, antwortet Schwabbauer ruhig und fordert den Mann auf, die Absperrung wieder anzubringen. Der junge Mann weigert sich. Schwabbauer droht mit der Polizei. Der Übeltäter wird schnell einsichtig. „Ihr habt ja recht. War echt scheiße, was ich da gemacht hab“, lenkt er ein und bringt alles wieder in Ordnung. „Soll ich das ganze noch wässern. Ich muss mal“, flapst er. „Kostet 73,50 Euro“, erwidert der Wachmann trocken. Der junge Mann trollt sich samt Begleiter weiter. Die Schutzleute folgen ihnen mit dem Auto.

Weniger glimpflich geht es bei Schlägereien ab. Da stehen schnell mal zwei Wachmänner sieben, acht aggressiven Betrunkenen gegenüber. Dann funken die SOS-Leute SOS und fordern Verstärkung an. Schwabbauer demonstriert, wie das funktioniert. „Code 6“, ruft er ins Funkgerät. Drei Minuten später rauschen drei weitere Streifenwagen seiner Firma an.

Betrunkenen vor dem Erfrieren gerettet

4.45 Uhr
Schwabbauer hält einen Schwatz mit Ugur, Türsteher an der Tanzbar Tenne in der Badgasse. „Keine Probleme heute Nacht“, sagt Ugur. Er weiß, im Notfall kann er auf die Wachleute zählen. Letztes Wochenende haben diese fünf holländische Touristen geschnappt, die randalierend durch die Altstadt zogen. Etliche Grafitti-Sprayer haben sie bereits auf frischer Tat ertappt. Einen jungen Mann, der an einem Märzwochenende sturzbetrunken bei Minusgraden in einer Gasse auf dem Boden schlief, haben sie vermutlich vor dem Erfrieren gerettet. „Der Alkohol, das ist echt schlimm“; sagt Schwabbauer. Er selbst sei nur dreimal in seinem Leben betrunken gewesen, sagt er. „Die jungen Leute sollen das ausprobieren, aber dabei friedlich bleiben.“

Friedlicher ist es in Herrenberg geworden, seit die Wachmänner patroullieren.. „Wir sind sehr zufrieden mit deren Arbeit“, sagt die Bürgermeisterin Getzeny. Diese Woche will sie sich mit Schwabbauer zusammensetzen und über eine Ausweitung der Touren reden. „Seit die Männer Streife laufen, musste ich kein Erbrochenes mehr vor meiner Tür kehren“, sagt auch die Kosmetikerin Zastrow. Ganz zufrieden ist sie jedoch nicht. „Immer wieder liegen ausgerissene Blumen in der Tübinger Straße.“

5 Uhr
Dienstschluss. „Das war total tote Hose heute Nacht“, meldet Schwabbauer im Polizeirevier. Es wird bereits hell. Die Katzen sind nicht mehr grau.