Die Münchener Gruppe Pro Sieben Sat 1 tauscht unverkäufliche Werbezeiten gegen Firmenanteile und Umsatzbeteiligungen junger Online-Händler. Das Geschäft boomt.

München - Man könnte es als die Resteverwertung von TV-Werbezeiten sehen. Zwölf Minuten dürfen Sender wie Pro Sieben und Sat 1 pro Stunde werben. Ganz lässt sich die Zeit nicht verkaufen. Da kam dem Management der Münchner TV-Gruppe Pro Sieben Sat 1 im Sommer 2009 eine Idee. Wieso freie Minuten nicht jungen Internet-Start-up-Firmen anbieten, die schnell bekannt werden wollen, sich TV-Werbung aber nicht leisten können und dafür mit Umsatz- oder Geschäftsanteilen bezahlen?

 

Das ist zu wesentlichen Teilen auch die Geschichte des 2008 in Berlin gegründeten Internet-Schuhhändlers Zalando, den heute zumindest viele Frauen kennen. „Zalando war einer der Ersten und ein Glücksfall“, sagt ein Sprecher der TV-Gruppe. Wenn der Versender, der mittlerweile weit über eine Milliarde Euro umsetzt, einmal an die Börse geht, hat sich Pro Sieben Sat 1 eine Aktienoption für eine Minderheitsbeteiligung gesichert. An den Umsätzen ist man immer noch beteiligt. Die genaue Quote bleibt allerdings geheim.

Mehr als 60 Start-ups werben über die Sender der Gruppe

Mit gut 60 Jungunternehmen sind die Münchner auf diese Weise mittlerweile verbunden und das Geschäft boomt. Es ist der Hauptwachstumsmotor des derzeit am stärksten zulegenden Geschäftsfelds Digital, das mittlerweile gut ein Fünftel zum Konzernumsatz beisteuert. Es soll vom klassischen Werbegeschäft mit seinen Zyklen unabhängig machen. Rund 50 Millionen Euro liefern dem Vernehmen nach allein die Umsatzbeteiligungen. Dazu kommt der Wert an Firmenbeteiligungen. Auch wegen dieses Modells sieht Konzernchef Thomas Ebeling sein Haus als Innovationsführer der TV-Branche. Der Online-Handel sei in Deutschland ein großer Wachstumsmarkt mit zuletzt 20 Milliarden Euro Jahresumsatz allein im Reisesegment. Damit werden 40 Prozent des Reisegeschäfts per Internet abgewickelt.

Die Branche ist ein strategischer Schwerpunkt des TV-Werbemodells der Münchner. Das Ziel ist, eine Kette von Online-Händlern im Reisemarkt aufzubauen, an denen Pro Sieben Sat 1 in der Regel mehrheitlich beteiligt ist. Das geht vom Flug über Hotels und Mietwagen bis zum Abruf von Wetter- und Klimadaten mit Onlinemarken wie Tropo,Mydays oder Billiger-mietwagen. „Der Internetreisemarkt profitiert enorm von TV-Werbung“, sagt Digital-Vorstand Christian Wegner.

Investiert wird in die Bereiche Reise, Mode und Gesundheit

Notfalls nimmt Pro Sieben Sat 1 auch Geld in die Hand und kauft Anteile zu, wenn ein Unternehmen besonders gut passt, wie soeben die beiden Online-Reiseportale weg.de und ferien.de für rund 40 Millionen Euro. „Reisemarken sind für das bildstarke und emotionale Medium Fernsehen prädestiniert“, begründet Wegner die Strategie. Neben Reise gilt das auch für Mode, Gesundheit oder Lifestyle. An Firmen dieser Branchen bleibt Pro Sieben Sat 1 langfristig beteiligt. Anderes wird irgendwann wieder verkauft. Die Trefferquote funktionierender Partnerschaften liegt weit über der Hälfte, heißt es. Das Geschäft sei risikolos, weil nur ohnehin unverkäufliche Werbezeiten eingesetzt werden. Andererseits sei eine Vervielfachung von Jahresumsätzen beworbener Jungunternehmen keine Seltenheit.

Um die Strategie abzurunden, hat die TV-Gruppe im Februar in Berlin den „Firmeninkubator“ Epic Companies gegründet. Er soll das neue Zalando aufspüren und aufbauen. Fünf Online-Geschäftsideen werde Epic jedes Jahr starten. Bekannt gemacht werden sie nach bewährtem Muster per TV-Werbung auf Pro Sieben, Sat 1 und Kabel 1. Gestartet ist Epic mit einem Uhren- und Schmuckmarktplatz. Mittlerweile gibt es auch einen für Tierfutter und Last-Minute-Flugtickets.