Im sozialen Netzwerk Facebook hat Stuttgart 21 fast 100.000 "Freunde". Auch im realen Leben nehmen die Befürworter-Stimmen für das Projekt zu.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - Es kann sich nur noch um Stunden handeln: Dann wird die Seite "Für Stuttgart 21" » in der Internet-Gemeinschaft Facebook 100.000 Unterstützer haben. Wie Alexander Steinwand, der am Dienstag auf dem virtuellen Schwarzen Brett fragte: "Hat jemand 'ne Idee für Plakate für die Großdemo am Samstag?" Die Interessengemeinschaft "Bürger für Stuttgart21" hat diese Facebook-Seiten gegründet, der Vorsitzende Sven Willing betreut sie: "Natürlich beruht die Zahl der Freunde nur auf Mausklicks und ist damit nichts Repräsentatives", sagt er selbst einschränkend. Dennoch wertet er es als "wahnsinnigen Erfolg", dass man die Facebook-Seite der Gegner » binnen weniger Wochen überflügelt hat - dort haben sich bisher 80.000 "Freunde" gemeldet.

Die sozialen Marktplätze im Internet werden für Befürworter wie Gegner von Stuttgart 21 immer wichtiger: Dort diskutiert man, dort kündigt man Veranstaltungen an, dort veröffentlicht man mehr oder minder brisantes Material. Doch längst haben auch die Befürworter den Weg ins wahre Leben gefunden. Immer mehr Menschen, die dem Bahnprojekt positiv gegenüberstehen, wollen dem wort- und aktionsmächtigen Widerstand der Gegner etwas entgegensetzen. Seit September haben sich so mehrere Gruppen gegründet, die Zahl der Teilnehmer an den Pro-Demonstrationen an den Donnerstagen ist zuletzt auf 5000 gestiegen, und vor kurzem haben sich vier dieser Gruppen zu einem Bündnis zusammengeschlossen.

Finanziert, das beteuern alle Vereinigungen, werde man ausschließlich durch Spenden und durch die Abgabe von T-Shirts oder Buttons. Und alle sehen sich als Bürgerbewegung und nicht als Ableger einer Partei, auch wenn in mancher Unterstützerliste CDU-, SPD- und FDP-Mitglieder auftauchen und auch wenn beispielsweise Steffen Kauderer, der Vorsitzende der Gruppe "Laufen für Stuttgart" und selbst Mitglied der Freien Wähler, eine Spende seiner Vereinigung nicht abgelehnt hat.

Die Befürworter wollen eine FAZ-Seite


Auch in der Professionalität versuchen die Befürworter gegenüber den Gegnern aufzuholen. "Bei der ersten Donnerstagsdemo hatten wir nicht einmal ein Megafon", sagt Steffen Kauderer - jetzt hält wie bei den Freitagsdemos der Gegner im Schlossgarten ein Autokran die Tonanlage. Auch die Aktionen werden vielfältiger. Die Idee von Joggingläufen zum Marktplatz stammt von Steffen Kauderer und Christian List. Zweimal in der Woche sind laut Sven Willing 20 bis 50 Befürworter in der Stadt unterwegs, um Anti-Stuttgart-21-Aufkleber von Straßenlaternen und Parkbänken zu kratzen. Und die Gruppe "Wir für Stuttgart 21" » sammelt Spenden, um möglichst große Anzeigen schalten zu können: "Wir wollen jetzt Firmen anschreiben, um vielleicht eine ganze Seite in der FAZ finanzieren zu können", sagt Eugen Wondratsch.

Das Befürworter-Bündnis wird übrigens von Werbeagenturen unterstützt, laut den Gruppen auf privater Basis. Christian List leitet selbst eine Agentur - er erhalte aber kein Geld für seine Tätigkeit für das Bündnis, betont Steffen Kauderer.

Die vorerst größte Aktion des Bündnisses soll die Demonstration am Samstag um 15 Uhr auf dem Schlossplatz werden - die Befürworter erwarten 10.000 Teilnehmer; es reden Bahnchef Rüdiger Grube und Ex-ministerpräsident Erwin Teufel. Ihr Erstarken hat die Befürworter auch selbstbewusst gemacht: Für das Bündnis sitzt Florian Bitzer in den Schlichtungsgesprächen, man fordert nun aber einen zweiten Platz. Wobei "stark" bei Facebook immer relativ ist: Auch der Juchtenkäfer "Super-Juchtie" » hat auf seiner Seite bereits 5300 Freunde.