Bewaffnete Drohnen revolutionieren die Kriegführung und sind heftig umstritten. Soll sich auch die Bundeswehr diese Waffen anschaffen? Mit einem Pro und Kontra wägen die StZ-Redakteure Rainer Pörtner und Matthias Schiermeyer die Argumente gegeneinander ab.

Stuttgart - Der Einsatz bewaffneter Drohnen gehört für die amerikanische Armee und den Geheimdienst CIA zum festen Bestandteil ihres Kampfes gegen den Terrorismus. Die unbemannten Kampfflugzeuge kommen vor allem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, aber auch im Jemen und in Somalia zum Einsatz.

 

Die ersten Drohneneinsätze wurde bereits während der Präsidentschaft des Republikaners George W. Bush unternommen. Der Demokrat Barack Obama intensivierte allerdings die Drohnennutzung seit seiner Amtseinführung im Jahr 2009. Das britische „Bureau of Investigative Journalism“ hat insgesamt 350 Drohneneinsätze der USA registriert.

Die Bundeswehr will Kampfdrohnen kaufen

„Wir führen diese Angriffe aus, weil sie notwendig sind, um echte Bedrohungen zu entschärfen, Anschlagspläne zu stoppen, künftige Attacken zu verhindern und amerikanische Leben zu retten“, sagt Jay Carney, Sprecher des US-Präsidenten. „Diese Angriffe sind legal, sie sind moralisch vertretbar, und sie sind sinnvoll.“

Diese Position ist jedoch international stark umstritten. Auch in Deutschland wird die Diskussion intensiv geführt – vor allem seit klar ist, dass die Bundeswehr ebenfalls Kampfdrohnen in ihr Arsenal aufnehmen will. Aber ist die Beschaffung dieser umstrittenen Waffen zu rechtfertigen? In einem Pro und Kontra tauschen die beiden StZ-Redakteure Rainer Pörtner und Matthias Schiermeyer die Argumente aus:

Pro: „Aus sicherer Distanz“

Kampfdrohnen haben viele militärische Vorteile. Vor allem schützt ihr Einsatz die eigenen Soldaten vor tödlicher Gefahr, argumentiert Rainer Pörtner:

Als auf den Schlachtfeldern die ersten Kanonen auftauchten, revolutionierten sie die Kriegführung. Ohne die eigenen Soldaten in den tödlichen Kampf Mann gegen Mann schicken zu müssen, konnte nun feindliche Kavallerie über viele hundert Meter hinweg bekämpft werden.

Würden wir aus heutiger Sicht argumentieren, dass Kanonen nie hätten eingeführt werden dürfen, weil sie das Töten aus der Distanz ermöglichten, die Hemmschwelle zur Kriegführung senkten und deshalb ethisch nicht zu rechtfertigen waren? Wohl kaum.

Genau diese Argumente aber werden gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen ins Feld geführt. Diese Kampfflugzeuge ohne Piloten werden von einem Soldaten fernab des Einsatzortes gesteuert. Und genau darin liegt der Gewinn: der Feind kann ohne Gefährdung eines eigenen Soldaten attackiert werden, es müssen nicht Heere oder Kommandotrupps losgeschickt werden, um in die Nähe des Feindes zu kommen. Kriege werden heute nicht mehr auf Schlachtfeldern geführt, sondern immer stärker durch terroristische Attacken oder als Guerillaaktion. Darauf muss sich eine Armee auch technisch einstellen.

Eher weniger unschuldige Opfer als mehr

Drohnen kommen nah an ihr Ziel heran und können zeitnah angreifen. Damit ermöglichen sie einen präziseren Beschuss des Gegners als etwa durch Artillerie – das mindert eher die Gefahr, dass Unschuldige zu den Opfern gehören, als dass diese erhöht wird.

Aber verleitet das Töten per Joystick nicht dazu, ungehemmt militärische Gewalt anzuwenden? Der Drohnenführer sieht auf seinem Bildschirm viel genauer als jeder Artilleriesoldat, welches Ziel er beschießt und was er anrichtet. Er ist emotional nicht mehr und nicht weniger involviert als ein Soldat, der per Knopfdruck auf einem Kriegsschiff eine Rakete startet. Zudem: Ist eine Waffe ethisch unbedenklicher, wenn sich der Soldat, der schießt, einer höheren Gefahr aussetzt? Genau das Gegenteil sollte doch wohl die Norm sein. Wer Soldaten in einen Krieg schickt, ist moralisch verpflichtet, alles dafür zu tun, dass diese Menschen bestmöglich geschützt sind. Dies hat allemal in demokratischen Gesellschaften zu gelten.

Wie jede Waffe können auch Drohnen missbraucht werden. Die USA führen dies mit ihren Schlägen gegen echte oder vermeintliche Terroristen in aller Welt vor. Der rechtliche Rahmen für militärische Gewaltanwendung ist in Deutschland viel enger gesteckt als in den Vereinigten Staaten. Das ist gut so – und dies würde auch für den Einsatz bewaffneter Drohnen gelten.

Kontra:„Außer Kontrolle“

Der Einsatz von Kampfdrohnen macht Krieg noch inhumaner, als er ohnehin ist. Eine Grundsatzdebatte darüber tut not, argumentiert Matthias Schiermeyer:

Ethisch neutral“ seien Kampfdrohnen, lautet das Kernargument des Verteidigungsministers. Unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge würden sich in der Wirkung nicht von bemannten unterscheiden. Welche Verharmlosung eines Kriegsgeräts, mit dem Menschen aus großer Ferne und ohne Prozess hingerichtet werden! Es lässt sich kaum nachvollziehen, ob nur der gesuchte Terrorist ausgeschaltet wurde. Die USA haben seriösen Schätzungen zufolge allein in Pakistan bis zu 3300 Menschen mit Drohnen getötet. Etwa jeder vierte bis fünfte war demnach Zivilist oder blieb unbekannt. Der US-Drohneneinsatz ist ausgeufert – niemand vermag ihn zu kontrollieren.

Tötungsmaschinen dürfen nicht nur mit Blick auf die Risikominimierung ihrer Nutzer beurteilt werden – es gilt gleichermaßen zu bewerten, was sie anrichten. Sonst ließen sich ja auch Massenvernichtungsmittel rechtfertigen. Und überall dort, wo Washington Kampfdrohnen einsetzt, provozieren sie aufgrund der Ohnmachts- und Rachegefühle in einer traumatisierten Bevölkerung weiteren Terrorismus. Der technischen Überlegenheit, ja Arroganz der USA, wird noch mehr blutige Opferbereitschaft entgegengesetzt.

Ziele sind nur noch Koordinaten

Nicht alles, was militärtechnologisch als Fortschritt zu werten ist, entspricht ethisch-moralisch unseren Werten. Auch Kampfjetpiloten mögen ihre Ziele nur noch als Koordinaten wahrnehmen, auf die sie ihre Raketen ausrichten – ein Drohnenpilot hingegen hat gar keine physische und damit emotionale Nähe mehr zu seinem Zielobjekt. Er exekutiert per Knopfdruck. So wird ein an sich schon unmenschlicher Krieg noch inhumaner geführt. Und bei allem Verantwortungsbewusstsein deutscher Soldaten gibt es eine reale Gefahr, dass die Hemmschwelle des Raketengebrauchs sukzessive sinkt. Zumal sich mit der Technologie die Grenzen dessen verschieben könnten, was der Bundeswehr laut ihren Einsatzregeln erlaubt ist. Lässt sich stets unterscheiden, wo die Verteidigung eigener Leute endet und das gezielte Töten (vermeintlicher) Feinde beginnt? Kaum.

Besonders misstrauisch macht, in welchem Tempo und wie wenig transparent der Verteidigungsminister und sein Umfeld die Entscheidung für den Erwerb und die spätere Entwicklung von Kampfdrohnen forcieren. Forderungen, eine fundierte Debatte voranzustellen, werden weitgehend ignoriert. Daher muss den Befürwortern mitsamt der mächtigen Rüstungslobby ein klares Haltesignal gegeben werden. Gerade im militärischen Bereich sollten wir den Fortschritt steuern – und nicht der Fortschritt uns.