Ausreißer-Kuh Yvonne lässt sich einfach nicht schnappen - nun muss Stier Ernst ran. Doch niemand weiß, ob sie seinen Reizen erliegen wird.

Mühldorf - Der Sommer gehört der wilden Yvonne. Die Kuh hat mit ihrem Freiheitsdrang die Sympathie vieler Menschen und ist der Medienstar des Sommerlochs. Wie einst Braunbär Bruno entkommt sie immer wieder schlau ihren Verfolgern und tappt in keine Falle. Bei Zangberg im oberbayerischen Landkreis Mühldorf hat sie sich ein Versteck im Wald gesucht. Nun droht ihr schlimmstenfalls das selbe Schicksal wie dem sogenannten Problembären. Wenn sie den Autoverkehr gefährdet, soll sie notfalls abgeschossen werden.

 

Tierretter des Gnadenhofs Aiderbichl versuchen daher fieberhaft, das Rind zu fangen. „Wir lassen auf keinen Fall zu, dass es endet wie bei Bruno“, sagt der Salzburger Gutsverwalter von Aiderbichl, Hans Wintersteller. Er will Yvonne auf dem Gut in Deggendorf unterbringen.

Ein flotter Stier

Am Mittwoch soll nun ein flotter Stier namens Ernst die scheue Yvonne aus dem Wald locken. Er habe schwarze Locken und sei ein „ganz schöner“, sagt Wintersteller. Auch bei Bruno war zeitweise die Idee aufgetaucht, ihm von einer attraktiven Bärin den Kopf verdrehen zu lassen und ihn so in die Falle locken. Doch man ließ den Gedanken fallen - Bruno war dafür noch zu jung.

Yvonne sollen jedoch weniger die Reize des Stiers als ihr Herdentrieb locken. Die Tierretter hatten deshalb schon Yvonnes Schwester Waltraud und Kälbchen Waldi gekauft und in ein Gehege im Wald gebracht. Aber Yvonne besuchte die beiden nur im Schutz Nacht. Während Waltraud und Waldi wegen des schlechten Wetters in den warmen Stall gebracht wurden, damit sie nicht krank werden, soll der wettergestählte Ernst bei Wind und Regen ausharren.

Eine Kuh mit 700 Kilogramm

Zwar reißt Yvonne keine Schafe, wie Bruno es tat, sie klaut den Imkern keinen Honig und bleibt - anders als der bedrohliche Bär - allen Ortschaften fern. Dafür aber bringt sie den Straßenverkehr in Gefahr. Läuft sie vor ein Auto, ist ein schlimmer Unfall möglich. „Ein Reh hat 30 oder 40 Kilo, die Kuh hat 700 Kilogramm“, sagt Erich Kozel, Fachbereichsleiter öffentliche Sicherheit und Ordnung. „Deshalb können wir nicht zuschauen, bis sie auf die Straße läuft.“

Kozel schließt nicht aus, dass es just die Fangversuche der Aiderbichler waren, die Yvonne aufschreckten. Seit knapp zwei Wochen versuchen die Tierretter mit immer neuen Methoden, die Kuh zu fangen. Mal sollte ein Dackel sie aufstöbern, mal streiften Freiwillige durch den Wald, mal suchten Helfer mit Pferden, Jeep und Quad nach dem ausgebüxten Rind. Das Landratsamt will nun keine großen Aktionen mehr. Yvonne soll sich erholen.

Kuh Yvonne hat sich schnell angepasst

Wintersteller plant für sie einen überdachten Lagerplatz mit trockenem Stroh. Er hofft, dass sie doch noch in eine vor Tagen aufgestellte Futterfalle im Wald geht. Wenn Yvonne dort Heu oder Silage frisst, schließt sich ein Bügel und hält sie fest.

Seit die frühere Milchkuh am 24. Mai einem Bauern aus Aschau am Inn entkam, der sie mästen und schlachten lassen wollte, sind ihre Instinkte zurückgekehrt. Sie hat sich ein Lager im Unterholz gesucht, ruht - anders als ihre Artgenossinnen - tags und kommt nachts zum Grasen heraus. Als „Kuh, die ein Reh sein will“ wurde sie bekannt.

Das „Ungeheuer von Dornach“

„Sie hat sich sehr schnell angepasst“, sagt Professor Klaus Reiter, Verhaltensforscher für Nutztiere von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. „Normalerweise suchen Kühe als Herdentiere die Artgenossen und können mit einfachen Mitteln - zum Beispiel einem klappenden Futtereimer - wieder auf die Weide gelockt werden.“

Wilde - oder verwilderte - Tiere passen schlecht in die zivilisierte Welt. Wegen des moosgrünen Kaimans Sammy wurde im Sommer 1994 ein Baggersee bei Dormagen in Nordrhein-Westfalen für die Badegäste gesperrt. Und die Geierschildkröte Eugen löste 2002 als „Ungeheuer von Dornach“ bei München ein Badeverbot aus.

Brunftrufe eines Kaimans

Immer wieder gestaltet sich das Einfangen der Tiere schwierig. Wegen Sammy - der „Bestie vom Baggersee“ - ging ein Polizist nachts auf die Pirsch. Ein Schleppnetz wurde ausgelegt, Brunftrufe wurden imitiert. Für Bruno flogen extra Bärenjäger aus Finnland samt Hunden ein. Experten der Umweltstiftung WWF versuchten, Bruno mit einer riesigen Aluminiumröhre zu fangen.

Auch Yvonne narrt nun schon fast zwei Wochen lang ihre Verfolger. „Die ist blitzgescheit. Die hätte dreimal die Matura gemacht“, sagt Wintersteller. „Man darf nicht mehr sagen: „dumme Kuh““, findet auch der Zangberger Bürgermeister Franz Märkl (CSU/Freie Wähler), und er fügt hinzu: „Wir haben die Kuh sehr gut trainiert für das Sommerloch. Das ist für uns eine kostenlose Reklame.“