Italiens Regierungschef Matteo Renzi hat nach dem Scheitern der Verfassungsreform seinen Rücktritt angekündigt. Er reiche am Montag bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt ein, sagte er in der Nacht in Rom.

Rom - Nach dem Scheitern von Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi bei einem Volksentscheid droht der drittgrößten Volkswirtschaft in der EU eine Regierungskrise. Der Sozialdemokrat will an diesem Montagnachmittag seinen Rücktritt einreichen. Wie es dann im hochverschuldeten Italien weitergeht, liegt in den Händen von Staatspräsident Sergio Mattarella. Denkbar sind die Einsetzung einer Übergangsregierung aus Experten oder Neuwahlen.

 

Die durch das Brexit-Votum geschwächte EU gerät durch den Rückzug des europafreundlichen Regierungschefs Renzi noch stärker unter Druck. In der Europäischen Union war befürchtet worden, dass eine Niederlage Renzis den Populisten neuen Aufwind geben könnte. Hinzu kommt: Nach dem „Nein“ zur Verfassungsreform könnte es Finanzmarktturbulenzen in der Eurozone geben. Zum Start in die neue Handelswoche blieb das von einigen Experten erwartete Beben an den Märkten zunächst aus. Der Wert des Euro sank nur rund ein Prozent und damit deutlich weniger, als einige Analysten vorher befürchtet hatten. Auch an den Aktienmärkten verloren die Kurse vergleichsweise wenig an Wert.

Fünf-Sterne-Bewegung fordert Neuwahlen

Mit Erleichterung hatten EU-Verfechter in Brüssel und Berlin auf das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl am frühen Sonntagabend reagiert. Dort hatte der Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen klar gegen den FPÖ-Bewerber Norbert Hofer gewonnen. Die national gesinnten Rechtspopulisten erlitten damit eine überraschend deutliche Niederlage.

In Italien begann noch in der Nacht der Kampf darum, wie das Nein zu der von Renzi verfochtenen Verfassungsreform zu deuten ist. Die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung sieht in dem Ergebnis Rückenwind und forderte Neuwahlen. „Die Italiener sollten schnellstens zur Wahl gerufen werden“, schrieb Anführer und Starkabarettist Beppe Grillo in seinem Blog.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn erwartete zunächst keine großen Folgen für die EU. „Ich sehe keine Niederlage für Europa“, sagte Asselborn der Deutschen Presse-Agentur. „Das war eine innenpolitische Auseinandersetzung.“ Allerdings befürchtet er Turbulenzen für den Euro, sollte es in Italien eine längere Phase der Unsicherheit geben. „Für den Euro wäre es schlecht, wenn sich die Regierungskrise lange hinzöge“, sagte er.

60 Prozent stimmten dagegen

Die Mehrheit der Italiener stimmte klar gegen Renzis Vorhaben, das Regieren leichter zu machen und Blockaden aufzulösen. Knapp 60 Prozent der Wähler stimmten gegen die Reform, etwa 40 Prozent dafür. Allerdings waren am frühen Montagmorgen noch nicht sämtliche Stimmen der im Ausland lebenden Italiener ausgezählt. Die Wahlbeteiligung lag dem Innenministerium zufolge bei fast 70 Prozent.

Der 41-jährige Renzi war im Februar 2014 als jüngster Regierungschef in der Geschichte des Landes angetreten und gilt als Europa-Freund. Auch die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) pflegte eine gute Beziehung zu dem Chef des Partito Democratico (PD). In Essen beginnt an diesem Montag der CDU-Bundesparteitag mit den Sitzungen von Präsidium und Vorstand. Es wird erwartet, dass sich CDU-Chefin Merkel auch zu den Abstimmungen äußern wird.

Alle Augen richten sich nun auf Italiens Staatspräsident Mattarella. Er kann das Rücktrittsgesuch Renzis annehmen und eine Übergangsregierung einsetzen. Er kann auch das Parlament auflösen und Neuwahlen für das kommende Jahr anordnen. Bis 2018 müssen in Italien Parlamentswahlen stattfinden.

7000.000 Stimmen werden erst am Montag ausgezählt

Renzi wollte sich dafür einsetzen, dass kein Machtvakuum entsteht. Denn dies würde sich auf die Finanzmärkte negativ auswirken. Die drittgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone ist mit etwa 130 Prozent der Wirtschaftsleistung so hoch verschuldet wie wenige Länder der Welt, die Wirtschaft lahmt immer noch. Das „Nein“ könnte nun auch die Krisenbanken weiter ins Wanken bringen.

In Österreich hatte der FPÖ-Politiker Hofer am frühen Sonntagabend seine Niederlage auf Facebook eingestanden: „Ich bin unendlich traurig, dass es nicht geklappt hat. Ich hätte gerne auf unser Österreich aufgepasst.“ Zugleich kündigte er eine neue Kandidatur für 2022 an.

Beim vorläufigen Endergebnis der Stimmen, die an den Wahlurnen abgegeben wurden, erreichte Van der Bellen 51,7 Prozent. Hofer erhielt 48,3 Prozent. In diesem Ergebnis sind - im Gegensatz zur Hochrechnung - die Briefwähler noch nicht enthalten. Deren rund 700.000 Stimmen werden erst am Montag ausgezählt. Dann dürfte sich das Ergebnis erfahrungsgemäß der Hochrechnung wieder angleichen. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 74 Prozent nochmal etwas höher als im ersten Durchgang der Stichwahl im Mai (72,8 Prozent).

Im Gegensatz zu Hofer ist Van der Bellen ein großer Anhänger der EU und will deren Kompetenzen sogar ausgeweitet sehen. Der Wirtschaftsprofessor hatte bereits die später annullierte Stichwahl am 22. Mai knapp gewonnen. Er soll am 26. Januar 2017 vereidigt werden. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre.