Nach einer Inhaftierung wieder zurück ins Leben und in Arbeit zu finden, ist eine große Herausforderung für die Gesellschaft – und die Betroffenen. Das Projekt INSA soll ihnen bei der Integration helfen. Die Geschichte zweier ehemaliger Häftlinge.

Stuttgart - Seit Oktober ist Harald Müller (Name geändert) wieder frei. Zumindest auf dem Papier. Obwohl er seine zehnmonatige Haftstrafe in Stammheim abgesessen hat, fühlt er sich aber noch immer gefangen. „Es ist, als würde man mit einem Bein im Knast stecken“, sagt der großgewachsene Mann, der seine Haare im Nacken zu einem langen Zopf zusammengebunden hat, über seine aktuelle Situation. 20 seiner 56 Lebensjahre hat er im Gefängnis verbracht. „Ich gelte als schwer vermittelbar“, fügt er hinzu. Die Gründe für seine Inhaftierungen? Immer dieselben: Autodiebstähle und Einbrüche.

 

Dabei helfen, zurück in Gesellschaft und in Arbeit zu finden, soll ihm das Stuttgarter Projekt INSA (Integration Straffälliger in Arbeit), das von PräventSozial angeboten wird. Doch auch dort ist er nicht zum ersten Mal. Vor drei Jahren hat Müller an dem Projekt schon einmal teilgenommen – bis er rückfällig wurde. Dieses Mal aber soll alles anders werden. „Ich habe jetzt schon Halbzeit“, sagt er stolz. Das Ziel des einjährigen Projekts, das von Europäischen Sozialfonds und dem Jobcenter gefördert wird: die Lebensverhältnisse stabilisieren, Arbeitsfähigkeit entwickeln und fördern – und im besten Fall eine Arbeit finden. Doch bevor an diesen letzten Schritt überhaupt gedacht werden kann, müssen sich die Teilnehmer erst einmal in internen Arbeitsgruppen beweisen. Das heißt: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen zeigen.

Erst in der Gruppe beweisen, dann Arbeit suchen

Von Montag bis Mittwoch treffen sich die Teilnehmer morgens um acht in Bad Cannstatt am Bahnhof. Von dort aus geht es zu ihren Einsatzorten. Einer davon ist der Bauhof in Ditzingen. „Unsere Gruppen sind unersätzlich für alle Arbeiten, die man auf dem freien Markt nicht besetzen kann“, erklärt Thomas Kleinbeck von INSA. Das heißt: körperlich anstrengende Arbeiten wie Grünflächenpflege oder Landschaftsschutz, bei denen die Projektteilnehmer die Stadt oder Einrichtungen unterstützen. Möglicherweise einer der Gründe, weshalb von den 76 Teilnehmern, die in den vergangenen drei Jahren beim Projekt mitgemacht haben, nur zwei weiblich waren.

Wer sich in den Arbeitsgruppen bewiesen hat, darf am Kompetenztraining teilnehmen und bekommt schließlich Unterstützung bei der Suche nach Arbeit. Tom Bauer (Name geändert) ist einer der Teilnehmer, die es bis hierhin geschafft haben. Er hat vor wenigen Wochen seinen letzten Tag bei INSA gehabt und wartet nun auf Rückmeldungen auf seine Bewerbungen. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch hat er schon – die Aussicht auf eine überbetriebliche Ausbildung in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter und dem Arbeitsamt ebenfalls.

Einen Job zu finden, ist für ihn entscheidend. „Ich schaue gern in die Zukunft und träume auch mal, aber ich weiß, dass das bei meinem bisherigen Lebenslauf gerade nicht angebracht ist“, sagt der 31-Jährige. Bauer kam mit 15 Jahren zum ersten Mal ins Gefängnis. War es damals noch eine Ersatzhaftstrafe wegen Schwarzfahrens gewesen, die in dorthin brachte, war es später eine dreijährige Haftstrafe wegen Körperverletzung und Drogendelikten.

Positive und negative Rückmeldungen

Ohne Vater, dafür aber mit einer Mutter aufgewachsen, die ihn kaum rausgehen und Kind sein ließ, hatte Bauer schon in seiner Kindheit große Probleme, erzählt er. Kinderarzt und Psychologe hätten ihm ADHS attestiert und ihm vom sechsten bis zum 16. Lebensjahr nur täglich Ritalin und Antidepressiva verabreicht. Als die Medikamente von einem auf den anderen Tag abgesetzt wurden, nahmen die Probleme zu. Er lebte im Heim, fing nach seiner ersten Haft eine Ausbildung zum Koch an, versuchte sich als Hauswirtschaftshelfer und arbeitete in einem Verein für körperbehinderte Menschen. „Ich habe lange nicht gewusst, wer ich bin, wo ich herkomme. Ich habe mir zu viele Gedanken gemacht und mich nicht auf das Wesentliche konzentriert“, sagt er.

Bei INSA hat er Unterstützung dabei bekommen, zu erkennen, wie wichtig klare Strukturen sind. Er hat Feedback bekommen – sowohl positiv als auch negativ. „Es tut gut motiviert zu werden“, sagt Bauer über seine Zeit bei INSA. „Das Projekt hat mich sehr weit gebracht. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich es einmal soweit schaffe.“ Ob es diesmal klappen wird mit der Ausbildung, weiß er nicht. Durch das Projekt aber weiß er, dass es immer irgendwie weitergehen wird.