Etwa zehn Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt sind Männer. Es wird aber von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgegangen. Das Stuttgarter Projekt „Gewaltschutz für Männer“ will Schutzwohnungen und mehr Beratung in Stuttgart etablieren.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Sie kriegen das schon hin, Sie sind ja groß und stark!“ – Diese Antwort erhalten wohl viele Männer bei der Polizei, wenn sie sich dorthin wenden, weil sie Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. „Dass Männer von ihren Partnerinnen geschlagen werden, ist in vielen Köpfen ein Tabuthema“, sagt Ursula Matschke, die Leiterin der städtischen Abteilung für Chancengleichheit. „Wir gehen auch davon aus, dass die Dunkelziffer von männlichen Opfern weitaus höher liegt als die von weiblichen Opfern.“ Männer würden sich ungern in der Opferrolle offenbaren – aus Angst, als „Weichei“ zu gelten.

 

Um Polizei und Staatsanwaltschaft zu sensibilisieren, den Opfern zu helfen und männliche Opfer in den Blickwinkel der Öffentlichkeit zu rücken, hat die Abteilung für Chancengleichheit gemeinsam mit der Fachberatungsstelle Gewaltprävention der Sozialberatung vor rund einem Jahr ein Pilotprojektmit dem Titel „Gewaltschutz für Männer“ ins Leben gerufen. Im Rahmen des Projekts wurde auch eine Männerinterventionsstelle ins Leben gerufen, an die sich männliche Opfer wenden können.

Häufig ist die Trennung bereits ein Thema

Seit dem Frühjahr 2014 hat der Erziehungswissenschaftler Jürgen Waldmann 14 Männer beraten, denen von ihren Partnerinnen entweder körperlich oder psychisch Gewalt angetan worden war. „Männer, die zu mir in die Beratungsstelle kommen, sehen häufig nur zwei Lösungen: Entweder sie schlagen zurück, wenn ihre Frau sie schlägt, oder sie bleiben komplett passiv“, sagt Waldmann. Die Beratung laufe in jedem Einzelfall ganz individuell ab, mit manchen habe Waldmann nur ein Telefongespräch geführt, andere seien bis zu neun Mal in die Beratungsstelle gekommen. „Häufig war für die Männer die Trennung von der gewalttätigen Partnerin bereits ein Thema, aber noch nicht endgültig vollzogen“, sagt Jürgen Waldmann.

„Einer der Männer war beispielsweise verheiratet und hatte zwei Kinder“, berichtet er. Die Ehefrau des Mannes habe ihn vor allem mit Gegenständen geschlagen und mit dem Küchenmessern bedroht. „Der Mann hat selbst in der Kindheit erlebt, wie sein Vater seine Mutter verprügelt hatte und wollte diesen Fehler nicht wiederholen“, sagt Waldmann. Schon zuvor sei dem Paar in der Eheberatung geraten worden, sich zu trennen, doch es habe sich nicht dazu durchringen können: „Wenn Kinder vorhanden sind, kann sich eine solche Situation lange hinziehen“, weiß Waldmann. Als der Mann sich an ihn wandte, ging es darum, ihm klarzumachen was er wollte und ihm dann in die Scheidung zu helfen.

Projektverantwortliche hoffen auf Geld vom Gemeinderat

Noch bis Ende des Jahres können Männer Hilfe bekommen bei der Männerinterventionsstelle. Dann hoffen die Projektverantwortlichen auf städtische Unterstützung: „Wir wollen die Beratung ausbauen und drei Schutzplätze für männliche Opfer von häuslicher Gewalt anbieten“, sagt Matschke. Für die Verwirklichung müsste der Gemeinderat rund 50 000 Euro jährlich bereitstellen. Damit wäre Stuttgart Vorreiter: Die bisherigen Männerhäuser in Deutschland funktionieren ehrenamtlich.