Daumen raus und los! Ab Freitag bittet der Roboter Hitchbot auch in Deutschland Menschen um Hilfe: Er will quer durchs Land reisen. Dahinter verbirgt sich ein Forschungsprojekt: Die Wissenschaftler untersuchen, wie Menschen mit einer netten Maschine umgehen.

Stuttgart - Am Freitag startet der trampende Roboter Hitchbot aus Kanada seine zehntägige Deutschlandtour. Bis zuletzt wurde an seinen Deutschkentnissen gefeilt, denn über ein Spracherkennungssystem soll sich Hitchbot auf Deutsch mit den Menschen unterhalten können, denen er begegnet. Es ist die erste Auslandsreise des bunten Roboters. Im vergangenen Jahr hatte er in weniger als vier Wochen Kanada durchquert, 6000 Kilometer zurückgelegt und die Kanadier fasziniert. Auf Facebook hat er fast 50 000 Fans, auf Twitter folgen ihm rund 30 000.

 

Auf Einladung des Wissenschaftsmagazins „Galileo“ des Senders Pro Sieben tourt der etwa 90 Zentimeter große Roboter nun durch Deutschland. Als Tramper will er das Land vom Süden bis Norden bereisen. „Ich bin in etwa so groß wie ein sechsjähriges Kind und wiege knapp elf Kilogramm. Man kann mich also leicht hochheben und ins Auto setzen“, teilt der Roboter mit.

Hitchbot kann zwar mit den Menschen kommunizieren, aber er kann sich nicht allein fortbewegen. Er ist auf die Hilfe der Menschen angewiesen. Die aus Deutschland stammende Kommunikationswissenschaftlerin Frauke Zeller, Professorin an der Ryerson University in Toronto, hat Hitchbot – der Name setzt sich aus „hitchhiking“ und „robot“ zusammen – mit ihrem Kollegen David Harris Smith von der McMaster-University in Hamilton und einer Gruppe Studenten geschaffen. Sie werden gespannt verfolgen, ob Hitchbot die Deutschen ebenso anspricht wie im vergangenen Jahr die Kanadier. Diese nahmen den am Straßenrand stehenden Roboter, der einen Arm bewegt und seinen Daumen nach oben streckt, in ihren Autos mit.

Das Gehirn des Roboters ist ein Tablet

„Die Erfahrung in Kanada war überwältigend“, sagt Frauke Zeller. „Es war auch für uns überraschend zu sehen, wie viele Menschen sich mit ihm beschäftigten und sich bemühten, mit ihm zu interagieren. Sie nahmen Hitchbot auf Feste mit, auf eine Hochzeit, und er besuchte kanadische Ureinwohner auf Manitoulin Island und Vancouver Island. Hitchbot sprach sehr viele Kinder und Familien an.“ Es sei erstaunlich gewesen zu sehen, wie die Menschen den Roboter personalisierten, sagt Frauke Zeller. „Sie haben ihn vermenschlicht.“

Hitchbot ist ein Kunstprojekt an der Schnittstelle von Kunst, künstlicher Intelligenz, Spracherkennung und Kommunikation zwischen Mensch und Roboter. „Wir wollen, dass Menschen sich beteiligen und das Projekt mitgestalten. Daher ist es von Anfang an offen angelegt“, sagt Zeller. „Wir werden Hitchbot nicht auf Schritt und Tritt folgen. Die Menschen können entscheiden, was sie damit machen und ob sie sich auf ihn einlassen wollen.“ Die oft gestellte Frage, ob Menschen Robotern vertrauen können, drehten die Forscher um: Können Roboter Menschen vertrauen?

Der durch Deutschland reisende Hitchbot ist ein „Zwilling“, ein Klon des Roboters, der durch Kanada reiste. Er wurde nach dem Vorbild des Originals gebaut. Die Materialkosten liegen bei 1500 bis 2000 kanadische Dollar (1000 bis 1400 Euro). Sein Kopf besteht aus einem Mülltonnendeckel und Kuchenhaube, vier LED-Panele bilden sein Gesicht, ein Bierfass seinen Körper. Arme und Beine bestehen aus Schwimmnudeln und Kupferrohr, er trägt Gummihandschuhe und Gummistiefel. Zwei Lithium-Polymer-Akkus liefern Energie für sechs Stunden. Über ein Ladegerät, das an den Zigarettenanzünder im Auto oder an eine Steckdose angeschlossen werden kann, erhält er wieder Energie.

Zwei der Ziele: der Kölner Karneval und Neuschwanstein

Das Gehirn des Roboters ist ein Tablet-PC. Für seine künstliche Intelligenz, die Spracherkennung und Sprachwiedergabe, benutzt er die beiden Spracherkennungsprogramme „Cleverscript“ und „Pocketsphinx“ sowie vorab modellierte Dialoge. Hitchbot erkennt Schlüsselwörter und Satzstrukturen, die dann Antworten und Dialoge aktivieren. Er kann somit auf Fragen antworten, ist aber auch in der Lage, selbst Unterhaltungen zu beginnen. Über GPS erhält er Informationen, wo er sich gerade aufhält. Sein Wissen bezieht er über Google, Wikipedia und aus sozialen Netzwerken. „Er kann somit etwas über die Region erzählen und sagen, was er gerne machen würde. In Köln möchte er ja zum Karneval“, erzählt Frauke Zeller. „Als typischer Tourist will er auch Neuschwanstein sehen. Das sind besondere Herausforderungen, die wir uns mit ,Galileo‘ ausgedacht haben.“

Es wird aber von den Menschen, die ihn an Bundesstraßen und Autobahnen mitnehmen, abhängen, ob Hitchbot all das machen kann, was sich „Galileo“ und die Organisatoren vorstellen. In Köln soll er ein Foto mit dem Karnevalsprinzen arrangieren. Er hofft, einen der Fußball-Weltmeister von 2014 für ein Selfie zu treffen. Er will bis nach Sylt kommen und dort die Kegelrobbe Willi fotografieren.

Hitchbot wurde für die Reise von Englisch auf Deutsch umgestellt. „Eine Herausforderung ist, dass Hitchbot am besten Hochdeutsch versteht. Wenn er mit Dialekten konfrontiert wird, wird es schwer für ihn“, sagt Frauke Zeller. Damit Hitchbot zeigen kann, dass er richtig in deutsche Kultur eingetaucht ist, hat er einige wichtige Begriffe wie Currywurst, Feierabend und Geschwindigkeitsbegrenzung gelernt.

Am Freitag wird sich Hitchbot vom „Galileo“-Studio in München zur Autobahn begeben. Am 22. Februar soll er wieder im Studio eintreffen. Die Forscher werden später die Fotos und Meldungen in den sozialen Netzwerken über den Kontakt mit Hitchbot auswerten: Welche Emotionen kann man da ablesen? Und welche Einstellungen haben Menschen zur Technik?

(Ein Interview mit einer Technikphilosophin zu emotionalen Beziehungen zwischen Mensch und Maschine finden Sie hier.)