Eine halbe Woche lang sind die normalen Regeln am Weinstädter Remstalgymnasium außer Kraft gesetzt worden. Die Schüler haben in Remstalistan, am praktischen Beispiel, gelernt, was ein Staatswesen und seine Wirtschaft am Laufen hält.

Weinstadt - Donnerstagmorgen, kurz vor neun Uhr im Remstalgymnasium: Es herrscht reges Treiben auf den Fluren. Schüler aller Klassen zählen das Wechselgeld in ihren Kassen, bereiten die Öffnung ihres Geschäfts vor oder versammeln sich im Parlament des eigens gegründeten Staats Remstalistan. Bis zum Samstag wird das gesamte Remstalgymnasium zum Staatsgebiet und die Schüler und die Lehrer werden zu Staatsbürgern.

 

Vorbereitungen laufen seit eineinhalb Jahren

„Ich bin jetzt wirklich froh, dass es endlich losgeht“, sagt Lena Baumann, die im Februar von den knapp 1300 Einwohnern zur Präsidentin gewählt worden war. Die vielfältigen Vorbereitungen für dieses Projekt starteten bereits vor eineinhalb Jahren. Lehrer und Schüler begannen die Idee des Staates Remstalistan gemeinsam zu entwickeln und trafen erste wegweisende Entscheidungen. Wie soll der Staat heißen? Welche Währung wählen wir? Wie soll das Wappen aussehen? In welcher Staatsform wollen wir leben? Basisdemokratisch wuchs die Idee in unterschiedlichen Ausschüssen zu einem Gesamtkonzept heran, das nach 2011 nun bereits zum zweiten Mal durchgespielt wird.

Valentin Roth erinnert sich, dass er vor sechs Jahren als damals Elfjähriger bereits zum Volksvertreter gewählt worden war und als Parlamentarier im Plenum reden und mit abstimmen durfte. Sein Wunsch damals war klar: „Ich will das noch mal.“ So gründete er gemeinsam mit Freunden den Sonderausschuss „Schule als Staat 2017“, in dem Ideen gesammelt und bewertet wurden. Bei allen Überlegungen sei die Beteiligung aller zukünftigen Staatsbürger im Vordergrund gestanden.

Unter dem Motto „Radikal Demokratisch“ debattieren die gewählten Parlamentarier von morgens bis abends im Plenum, einem Klassenzimmer, in dem die Abgeordneten nach Parteien sortiert wie in einem echten Parlament sitzen. Sie stellen Anträge, diskutieren und stimmen ab. Was das Parlament bestimmt, wird Gesetz und ist damit bindend für alle Staatsbürger.

Neben der Präsidentin, die eher repräsentative Funktionen wahrnimmt, wurden ein Kanzler, ein Kulturminister sowie ein Finanzminister und ein Arbeitsminister gewählt. Denn in Remstalistan gibt es nicht nur Verwaltung sondern auch eine florierende Wirtschaft. Mit einer Arbeitslosenquote von nur 2,5 Prozent kommt der Staat beinahe an die Vollbeschäftigung heran. Im Vorfeld konnten Schüler und Lehrer die unterschiedlichsten Gewerbe gründen und auf der Grundlage von Arbeitsverträgen, Mitarbeiter einstellen. Die Lehrer sind einfache Staatsbürger, die sich genauso um Jobs bewerben mussten oder ein Gewerbe gründen konnten.

Vesper mitbringen ist verboten

Wer dennoch keinen Job gefunden hat, erhält Arbeitslosengeld. Beim Arbeitsamt im zweiten Stock gibt man sich hingegen große Mühe, so schnell wie möglich eine passende Stelle zu vermitteln. Die erwirtschafteten „Remstali“, die Währung im Staate Remstalistan, fließen gleich wieder in die heimische Wirtschaft, denn Vesper mitbringen ist nicht erlaubt und wird an den Grenzübergangsstellen vom Zoll streng kontrolliert. So floriert die Gastronomie, die vom „Weckle to go“ bis zum alkoholfreien Caipirinha alles bietet, was das Schülerherz begehrt.

„Die Schüler lernen ganz real und hautnah, wie Wirtschaft und Politik funktionieren“, erklärt die Präsidentin Lena Baumann. Etwa, was es bedeute, Chef zu sein, was es heiße, den ganzen Tag am Grill zu stehen oder wie anspruchsvoll die Arbeit als Parlamentarier sein kann. Die Staatspräsidentin jedenfalls ist froh, dass sie die zahlreichen Grußworte zur Eröffnung hinter sich hat. Sie lobt das gemeinschaftliche Engagement des Projektes, „das die Gemeinschaft der Schule stärken soll“.