Die Innenminister wollen eine niedrigere Promillegrenze für Radfahrer. Polizei und ADFC begrüßen das. Bisher gilt für Fahrradbenutzer eine Obergrenze von 1,6 Promille, während Autofahrer schon von 0,5 Promille an ihren Führerschein abgeben müssen.

Stuttgart - Für Deutschlands Radfahrer soll künftig eine deutlich niedrigere Promillegrenze gelten. Das wollen die Innenminister der Länder auf ihrem am Mittwoch beginnenden Frühjahrstreffen in Hannover vorschlagen. Bisher liegt der Grenzwert für Radfahrer bei 1,6 Promille, während Autofahrer schon von 0,5 Promille an ihren Führerschein abgeben müssen.

 

„Mit dem gültigen Grenzwert von 1,6 Promille kann niemand sicher auf zwei Rädern unterwegs sein“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz Boris Pistorius (SPD) aus Niedersachsen. Anlass für die Debatte sind laut Pistorius bundesweit besorgniserregende Zahlen über Radunfälle. 2011 verunglückten nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) 3725 Radfahrer nach dem Konsum von Alkohol – das sind rund fünf Prozent aller verunglückten Zweiradfahrer. Einen Grenzwert für Alkohol am Lenker wollte der niedersächsische Innenminister vor der Konferenz nicht nennen.

Der ADFC plädiert für einen Gefahrengrenzwert von 1,1 Promille

Für die Stuttgarter Polizei ist die derzeitige Regelung „sicherlich zu überdenken“, wie ihr Sprecher Stefan Keilbach sagt. „Die aktuelle Regel ist nicht mehr zeitgemäß. Bei den Kraftfahrzeugen haben wir ein fein abgestuftes System“, sagt er. Absolute Fahruntüchtigkeit ist bei 1,1 Promille erreicht, aber auch schon von 0,5 Promille an drohen dem Autofahrer Bußgeld, Punkte und ein Fahrverbot. Sollte der Ertappte alkoholbedingte Ausfälle beim Fahren zeigen, sogar schon von 0,3 Promille an. Für Keilbach wäre eine ähnliche Abstufung auch bei Radfahrern vorstellbar, „oder man geht insgesamt mit dem Promillewert nach unten“. Für den Polizeisprecher sind alkoholisierte Fahrradfahrer in Stuttgart „mit Sicherheit kein überbordendes Problem“, sagt er und führt die Unfallstatistik an: So verursachten betrunkene Radfahrer im vergangenen Jahr 17 Unfälle, bei denen Personen zu Schaden kamen. Insgesamt waren Radfahrer bei 253 Unfällen in Stuttgart die Hauptverursacher. Nach Angaben der Stadt liegt der Anteil der Radfahrer am Verkehr derzeit bei sieben Prozent, als fester Bestandteil der Verkehrsplanung soll er jedoch langfristig auf 20 Prozent angehoben werden. Der Sprecher der Stadt, Sven Matis, sieht in dem Vorschlag der Innenminister ein „Signal an Radfahrer zur Zurückhaltung beim Alkoholgenuss“.

Beim ADFC ist man froh, dass dessen Forderungen nun von der Politik erhört wurden. „Grundsätzlich finden wir das gut“, sagt Sprecherin Bettina Cibulski. Der ADFC plädiert für einen Gefahrengrenzwert von 1,1 Promille – eine Warnstufe für Radfahrer, ab der das Radfahren grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit darstellt, vergleichbar mit den 0,5 Promille beim Autofahrer. Die absolute Fahruntüchtigkeit solle weiterhin bei 1,6 Promille liegen.

Diese Abstufung solle sensibilisieren: „Bisher ist es beim Fahrradfahrer so: Entweder er benimmt sich ordnungsgemäß oder straffällig – dazwischen gibt es nichts“, sagt Cibulski. Eine Eins-zu-eins-Angleichung an die Promillegrenzen bei Autofahrern hält sie jedoch nicht für sinnvoll. Zum einen gehe von Fahrradfahrern weniger Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer aus, zum anderen sinke dann vielleicht die Bereitschaft, vom Auto auf das Fahrrad umzusteigen.