Das Ordnungsamt fordert einen Hausbesitzer samt seiner Mieter dazu auf, womit sie seit Jahren scheitert: zur Klage gegen illegale Bordelle. Den Vorwurf der Untätigkeit weist die Verwaltung zurück, auch wenn der Augenschein das Gegenteil nahe legt.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Die Damen sind leicht bekleidet und nicht unbedingt um Diskretion bemüht. Gelegentlich rufen sie ihr Angebot im Sinne von Marktfrauen quer über die Straße. Die Adressaten sind Fußgänger, nie Fußgängerinnen, denn das Angebot ist der Körper jener Frauen.

 

Hierzu stellt das Amt für öffentliche Ordnung ordnungsgemäß fest: „In Stuttgart gibt es einen Sperrbezirk. Innerhalb dieses Bereiches ist es verboten, sich auf der Straße zur Prostitution anzubieten.“

Das ist keine Neuigkeit. Weshalb Klaus Jäger, ein Hausbesitzer, per Brief ins Rathaus den Amtleuten vorwarf, sie würden nichts gegen den illegalen Straßenstrich unternehmen. Selbstverständlich teilt hierzu das Ordnungsamt mit, diese Aussage sei falsch. Auch wenn der Augenschein seit etlichen Jahren schon das Gegenteil nahelegt.

Kein Straßenstrich, kein Müll, keine Kehrgebühr

Jäger ist Eigentümer des Hauses Katharinenstraße 37. Es steht am Rand des Bohnenviertels, zweifellos im Sperrbezirk – aber dennoch am Straßenstrich. Der Anlass seines Schreibens war weniger die Prostitution an sich, sondern mehr ein Nebeneffekt. Dirnen und Freier entsorgen ihren Müll selten so sorgsam wie die schwäbische Hausfrau, und Jäger soll künftig dafür zahlen, dass die Stadt reinigt. Dies doppelt, denn sein Haus grenzt vorn an die Katharinen-, hinten an die Weberstraße.

Die Rechnung darf der Hausbesitzer ungekürzt an seine Mieter weiterreichen, aber „manche können sich das nicht leisten“, sagt er und hegte den Gedanken, die Stadt möge statt der Wirkung die Ursache bekämpfen – kein Straßenstrich, kein Müll, keine Kehrgebühr. Weil er nicht der einzige ist, der gegen die Gebühr protestiert, hat der Gemeinderat mittlerweile entschieden sie noch einmal zu diskutieren.

Die Antwort auf sein Schreiben ist aber in ganz anderer Hinsicht bemerkenswert. Das auffällige Haus in Jägers Nachbarschaft ist nicht nur Freiern ein Begriff. Der Bau mit den unübersehbaren Prostituierten vor seiner Tür ist das Hotel Türmle. Dass dessen Geschäftszweck eine sehr spezielle Form des Fremdenverkehrs ist, „ist der Polizei wie der Stadtverwaltung bekannt“, ist im Brief des Ordnungsamts zu lesen – in aller Offenheit samt Hotelname, Adresse und der Anmerkung, es handele sich um „ein Prostitutionsobjekt“.

„Laufende Verfahren können sich über Jahre hinziehen“

Dieser Feststellung folgt eine längere Passage mit Erklärungen, was Polizei und Stadt gegen den illegalen Straßenstrich samt seiner Auswirkungen unternehmen. Zusammengefasst: Kontrollen, Razzien, Bußgelder, Platzverweise, Strafanzeigen. Gefolgt von dem Zusatz: „Wir bitten um Verständnis, dass Störungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden können.“ Den Schluss ziert eine Empfehlung. Jäger möge „unbedingt die Möglichkeit in Erwägung ziehen“, juristisch gegen das Treiben neben seinem Haus vorzugehen und dazu auch seine Mieter ermutigen – „z. B. mit einer Unterlassungsklage“. Der Vorschlag ist unterfüttert mit dem Tipp, „sich hierzu von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen“.

Roger Bohn käme in Frage, auch wenn sein Name im Brief nicht erwähnt ist, aber er hat Erfahrung. Bohn vertritt standardmäßig die Stadt in Prozessen gegen Betreiber ungenehmigter Bordelle. Dass die Erfolge seiner Bemühungen eher spärlich sind, ist erstens offensichtlich, zweitens legt es sogar das Ordnungsamt nahe: „Laufende Verfahren können sich über Jahre hinziehen.“ Gemeint sind die Verfahren der Stadt.

Selbst wenn dies den Hausbesitzer samt seiner Mieter nicht abschreckt, ist Jägers Neigung, sich mit dem Rathaus zu verbünden, jüngst gesunken. Auf seinen Widerspruch gegen die Reinigungsgebühr teilte die Stadtkämmerei ihm mit, er möge umgehend bezahlen, denn im Fall eines weiteren Widerspruchs werde er mit einem Bußgeld von 200 Euro belangt. Frauen, die sich rechtswidrig auf dem Straßenstrich anbieten, zahlen 180 Euro.