Ein Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Besucher des Wiesensteiger Baumwipfelpfads durch Neidlingen und Weilheim fahren würde. Von dort kommt jetzt Protest.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Wiesensteig - Der Nachbarort Neidlingen im Kreis Esslingen trägt die Hauptlast des zusätzlichen Verkehrs, den ein Baumwipfelpfad am Reußenstein bei Wiesensteig anlocken würde. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens, das der Landkreis Göppingen in Auftrag gegeben hat und das am kommenden Dienstag bei einer Bürgerversammlung im Schloss von Wiesensteig vorgestellt wird.

 

Die Einwohner des 2100 Köpfe zählenden Städtchens am Albaufstieg sollen am 7. Oktober in einem Bürgerentscheid über die Zukunft des Projekts abstimmen. Die Neidlinger werden dabei tatenlos zusehen müssen. „Wir haben wenig Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen“, sagte der ehrenamtliche Bürgermeisterstellvertreter Uli Hepperle. Dabei sind auch die Gutachter überzeugt, dass die Mehrheit der Besucher – rund 59 Prozent – aus der Region Stuttgart anreisen und dabei den Weg von der Autobahnanschlussstelle Aichelberg über Weilheim und Neidlingen zum Baumwipfelpfad nehmen würden. Durch Schopfloch führen demnach nur 18, durch Wiesensteig 23 Prozent. Die von der Wiesensteiger Bürgerinitiative befürchtete Verkehrszunahme falle dort daher gering aus. An Spitzentagen müssten allenfalls 700 zusätzliche Fahrzeuge auf der engen Hauptstraße verkraftet werden. Das wären in der Mittagsspitze nicht einmal zwei Autos pro Minute. „Dieses Verkehrsaufkommen ist kaum spürbar und lärmtechnisch praktisch nicht messbar“, stellen die Gutachter fest.

In Neidlingen verdoppelt sich der Verkehr

Ob dies auch für Neidlingen gilt, lassen sie offen. Dort wird an Spitzentagen mit 1800 Fahrten zusätzlich gerechnet, was annähernd eine Verdopplung des Verkehrs in dem 1800-Einwohner-Ort bedeuten würde. „Das wäre deutlich seh- und hörbar und wäre daher für die Anwohner nicht akzeptabel“, sagte der Neidlinger Bürgermeister Rolf Kammerlander. Ein Stück Dorfidylle ginge verloren.

Gleichzeitig habe Neidlingen keinerlei Nutzen von dem Projekt. Der Weilheimer Bürgermeister Johannes Züfle verwies darauf, dass sich der Verkehr in seiner Stadt schon heute an schönen Wochenendtagen staue. „Wir haben 15 000 Fahrzeuge zwischen den beiden Ampelanlagen.“ Zudem werde in dem Gutachten mit keiner Silbe erwähnt, wie mit Umleitungsverkehr von der Autobahn umgegangen werde. Beide Bürgermeister wollen noch vor dem Bürgerentscheid in Wiesensteig in ihren Gemeinderäten offizielle Stellungnahmen verabschieden lassen. Es sei davon auszugehen, dass sich beide Gremien gegen den Standort am Reußenstein aussprächen.

4000 Besucher wären üppig

Allerdings, darauf legen die Gutachter wert, sei mit der Spitzenbelastung allenfalls an 15 Tagen im Jahr zu rechnen. Zudem seien die Schätzungen sehr großzügig. Man habe unterstellt, dass in jedem Auto nur zweieinhalb Personen säßen, obgleich der Wert im Ausflugsverkehr, wenn viele Familien, aber kaum Einzelpersonen unterwegs seien, in der Regel höher liege. Auch die Annahme, dass an Spitzentagen 4000 Besucher den Baumwipfelpfad besichtigen wollten, sei üppig, wenn man das Besucheraufkommen anderer Freizeiteinrichtungen im Ballungsraum Stuttgart berücksichtige. Das Wildparadies Tripsdrill im Kreis Heilbronn zähle maximal 2200, die Panorama-Therme in Beuren 3400 und das Spieleparadies Sensapolis auf dem Flugfeld bei Böblingen maximal 1700 Besucher.

Die Chancen für eine Anbindung an den öffentlichen Busverkehr sehen die Gutachter skeptisch. Weil bisher an Wochenenden kaum Busse führen, seien die erforderlichen Investitionen für einen Ausbau recht hoch.

Auswärtige müssen draußen bleiben

Projekt
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Reußenstein bei Wiesensteig soll ein 750 Meter langer Baumwipfelpfad entstehen. Der Investor, die Erlebnisakademie aus Bad Kötzting, rechnet damit, dass jährlich 250 000 Besucher in 20 Metern Höhe durch den Wald spazieren.

Platznot
Bei der Bürgerversammlung am Dienstag, 10. September, 19.30 Uhr, sind die Plätze im Wiesensteiger Schloss für Wiesensteiger Bürger reserviert. Wegen des Andrangs müssen Auswärtige draußen bleiben. Allerdings wird die Versammlung nach draußen übertragen.

Umweltschutz
Ob und wie das Projekt mit der in dem Gebiet geltenden FFH-Richtlinie zu vereinbaren ist, wird bei der Versammlung nicht endgültig geklärt. Ein entsprechendes Gutachten liegt erst nach Ende der Vegetationsperiode, vielleicht auch erst nächstes Jahr vor.