Die Firma ATB in Welzheim plant, ihre Fertigung am Stammsitz zu schließen. Die Belegschaft protestiert – und beteiligt sich wie rund 2500 Beschäftigte im Rems-Murr-Kreis an ersten Warnstreiks der IG Metall.

Welzheim - Das nach den Worten des IG Metall-Bezirksgeschäftsführers Matthias Fuchs „beschissene Angebot“ von 0,9 Prozent Lohnerhöhung, das die Arbeitgeber in der Metall- und Elektroindustrie angeboten haben, ist für die Beschäftigten ein Ärgernis. Doch für die derzeit rund 280-köpfige Belegschaft des Motorenherstellers ATB Welzheim geht es um viel mehr, nämlich um ihre berufliche Existenz. Denn vor wenigen Tagen hat das Unternehmen, das sich als „führender Hersteller von Industriemotoren mit über 80 Jahren Branchenerfahrung“ bezeichnet, angekündigt, man werde die Fertigung am Standort Welzheim schließen.

 

Dagegen haben die ATB-Mitarbeiter am Freitagvormittag lautstark vor dem Stammsitz in der Silcherstraße protestiert. Bei ihrem Streik erhielten sie moralische Unterstützung von Arbeitnehmern anderer Betriebe im Rems-Murr-Kreis, die am Freitag an ersten Warnstreiks für mehr Lohn teilnahmen. Laut Matthias Fuchs beteiligten sich mehr als 2500 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie im Landkreis am Ausstand, erste Warnstreiks gab es laut der Gewerkschaft an allen Bosch-Standorten, bei Stihl, Norgren, dem Remswerk, Contitech Kühner, Mahle Aftermarket und eben bei ATB Welzheim.

Schließung der Fertigung als Anfang vom Ende?

Die Entwicklungsabteilung und der Vertrieb, insgesamt rund 60 Beschäftigte, so sagt der ATB-Betriebsratsvorsitzende Marco Hogh, sollten vorerst am hiesigen Standort verbleiben. Gut 200 weitere Mitarbeiter, die in der Fertigung tätig sind, würden aber arbeitslos. Denn geplant sei, dass ein Teil der Fertigung nach China verlagert werde. Und das, so befürchtet Hogh, sei dann vermutlich der Anfang vom Ende.

Der 59-jährige Helmut Albrecht und sein 55 Jahre alter Kollege Rolf Hänle haben am Freitag wie die große Mehrheit ihrer Kolleginnen und Kollegen die Arbeit ruhen lassen, Baseball-Kappen mit dem Gewerkschaftslogo angezogen, und die rote Flagge der IG Metall hochgehalten. Albrecht ist seit mehr als 20 Jahren für die ATB Welzheim tätig, er prüft Motoren. Der Kaisersbacher Rolf Hänle gehört sogar schon seit 40 Jahren zur Belegschaft, seine Mechaniker-Lehre hat er begonnen, als ATB Welzheim noch Bauknecht hieß. „Damals waren wir fast 2500 Mitarbeiter“, erinnert sich Hänle, „aber bei jedem Wechsel der Geschäftsleitung ist immer etwas abgeknapst worden. Und jetzt ist nichts mehr da, was man abknapsen könnte.“ Was seine beruflichen Perspektiven angeht, ist der 55-Jährige pessimistisch: „Ich werde wohl kein Geschäft mehr finden.“

Es gebe viele ältere Mitarbeiter in der Firma, erzählt Helmut Albrecht, die Stimmung im Betrieb sei sehr schlecht. Einer seiner Kollegen formuliert seinen Frust etwas drastischer. Er spricht von „erpressten Schutzgeldern“ und erzählt, die Belegschaft verzichte seit etlichen Jahren sowohl auf das Urlaubs- wie das Weihnachtsgeld. Außerdem habe jeder Beschäftigte seit längerem rund 50 Euro von seinem Monatsgehalt als Standortsicherung an die Firma abgetreten. „Die haben Millionen mit uns gewonnen, aber seit Jahren keine Investitionen gemacht.“

Betriebsrat hat ein Konzept erarbeitet

Auch Marco Hogh spricht von „erpresserischem Verhalten“ seitens der Geschäftsleitung und vermutet, „die Herren in der Vorstandsetage brauchen einen Lernprozess“. Die ATB Welzheim sei in den letzten Jahren „die Milchkuh des Konzerns“ gewesen, der unter anderem Standorte in Polen, Serbien, Österreich, Großbritannien und China hat und einem chinesischen Eigentümer gehört. Und nun das.

Der Betriebsrat, erzählt Marco Hogh, habe ein Konzept für den Erhalt der Fertigung in Welzheim, „das Herz des Konzerns“, entwickelt. Das werde er der Geschäftsführung am Dienstag vorlegen. Näheres will Hogh vorab nicht verraten, nur so viel: „50 Arbeitsplätze könnte man sozial verträglich abbauen.“ Natürlich gebe es Abläufe, die verbessert werden könnten und müssten, für den Betriebsrat stehe aber fest: „Dieser Betrieb hat eine Existenzberechtigung.“ Denn die Kundschaft wolle keine „Allerweltsmotoren“, sondern Qualität „made in Welzheim“.