Betreuungskräfte und Eltern haben in Stuttgart auf dem Marktplatz demonstriert. Die Sozialbürgermeisterin kündigt Verbesserungen an.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Sie fordern, ihr Einkommen selbst bestimmen zu dürfen, dieses müsse planbar sein und die Bearbeitungszeit durchs Jugendamt deutlich schneller. Rund 30 Frauen und Männern sowie mindestens ebenso viele Kleinkinder haben sich an diesem Freitag um 9.30 Uhr auf dem Marktplatz versammelt, um gegen das neue Fördermodell in der Tagespflege zu demonstrieren.

 

„Mehr Selbstständigkeit für Tagesmütter“ oder „Betreuung sofort – Bezahlung in nicht absehbarer Zeit“, stand auf den Transparenten. „Keine Tagesmutter wird pünktlich bezahlt“, sagt verärgert eine der Initiatorinnen, Andrea Böhm-Sturm, die in Möhringen Kinder betreut. Zum Teil müsse man bis zu sechs Monate auf das Geld vom Jugendamt warten. Das sei existenzbedrohend. „Ich kann mir eigentlich nur leisten, Kinder von Eltern zu nehmen, die in Vorleistung treten können“, sagte die Tagesmutter. Ihre Sorgen konnte Andrea Böhm-Sturm und ihre Mitstreiterinnen gleich an der richtigen Adresse loswerden: Die Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer stellte sich den Protestierenden, bevor diese weiter in einer kurzen Demonstration zum Wilhelmsplatz zogen.

Wie berichtet, hat die Stadt die Regelungen zum 1. Januar mit der Zielrichtung geändert, dass die Tagespflege für Eltern ähnlich preiswert wird wie die Krippe. 5,30 Euro pro Betreuungsstunde zahlt das Jugendamt für ein Kind unter drei Jahren, wenn eine Tagesmutter 70 Qualifizierungsstunden absolviert hat. Hinzu kommen 40 Cent pro Betreuungsstunde, die das Risiko von Krankheit und Urlaub für vier Wochen abdecken sollen. Die Bezahlung längerer Fehlzeiten darüber hinaus können Tagesmütter mit den Eltern individuell regeln.

Letzteres ist eine Neuerung, die die Stadt infolge des Protests der Tagesmütter vorgenommen hat. Eine weitere verkündete Isabel Fezer am Freitag: „Sie dürfen nun doch Essensgeld von den Eltern entgegennehmen: 3,25 Euro pro Tag je Kind – wie bei den Kitas auch.“ Ursprünglich hatte die Stadt vorgesehen, dass die Tagesmütter von den 5,30 Euro auch das Essen für die Kinder bezahlen müssen.

Zuzahlungen seitens der Eltern sollten erlaubt sein

„Das sind zwei Schrauben, an denen wir schon gedreht haben“, sagte Fezer, die einräumte, dass der bürokratische Aufwand derzeit sowohl bei den Tagesmüttern als auch beim Jugendamt zu hoch sei. „Die Auszahlung muss deutlich schneller laufen“, sagte die Sozialbürgermeisterin im Anschluss der Stuttgarter Zeitung. Das gehe nur über mehr Personal. Die Abteilung im Jugendamt müsse übergangsweise verstärkt werden. Man sei „überrollt worden“ mit Anträgen von Eltern. Ohne die Mehrkosten genau beziffern zu können, sei aber schon jetzt sicher, dass das vom Gemeinderat bewilligte Geld für die Tagespflege nicht ausreichen wird.

Die Tagesmütter machten gestern auf dem Marktplatz klar, dass sie ihr Einkommen pauschal jeden Monat ausgezahlt bekommen wollen – momentan müssen sie fürs Jugendamt einen Stundennachweis führen. Außerdem forderten sie, dass Zuzahlungen seitens der Eltern erlaubt sein sollen. Nur so fördere man Qualität, betont die Tagesmutter Anna Mayr. „Ich finde, besonderer Einsatz muss belohnt werden können, ich bin bereit zuzubezahlen“, sagte der Vater eines zehn Monate alten Mädchens, Tilman Benkert.

Ein Zuzahlungsmodell führe zu zwei Klassen, sagte Fezer. Zuvor hätten sich nur die Wohlhabenden eine Tagesmutter leisten können. Nachbesserungen, auch was die monatliche Pauschale angeht, schließt sie aber nicht aus. Zunächst wolle sie evaluieren, wie sich das System bewährt. Dafür brauche sie einen repräsentativen Zeitraum. Die Auszahlung von Fördermitteln sei immer an Kriterien gebunden – man wolle keine Rüge vom Rechnungsprüfungsamt, so die Sozialbürgermeisterin.