Zum ersten Mal seit zehn Jahren sind alle Beamtengewerkschaften Frankreichs geschlossen in Streik getreten. Die Proteste folgen auf weitere Aktionen gegen Macrons geplante Arbeitsmarktreformen. Das bringt den Präsidenten unter Druck.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Während Emmanuel Macron in Frankfurt schöngeistige Betrachtungen anstellte und neben Angela Merkel die Buchmesse – mit Gastland Frankreich – einweihte, krachte es auf den französischen Boulevards gehörig. Nebelhörner, Hupen und Megafon-Parolen begleiteten die Umzüge Zehntausender Beamter in 120 Orten Frankreichs. Am Hauptumzug in Paris verhaftete die Polizei Randalierer – was nicht einer gewissen Ironie entbehrte: Neben Lehrern, Beamten, Krankenschwestern, Steuerbeamten oder Briefträgern beteiligten sich auch CRS-Bereitschaftspolizisten am Streiktag, da sie seit Wochen mit dem Innenministerium um höhere Tagesansätze ringen.

 

Im Flugverkehr gab es zahlreiche Ausfälle. In einzelnen Flughäfen fielen ein Drittel der Flüge aus; die übrigen verkehrten verspätet. Bei der Bahn hielten sich die Verzögerungen in Grenzen. In den Spitälern hatten die Streikenden Vorkehrungen getroffen. Die Forderungen der öffentlichen Bediensteten betreffen vordergründig höhere Löhne und Stellengarantien. Macron hatte schon im Präsidentschaftswahlkampf erklärt, er wolle die Beamtenlöhne einfrieren und bis zu seinem Mandatsende 120 000 Stellen im öffentlichen Dienst abbauen.

Macron in der Zange

Der erste gemeinsame Aktionstag aller neun Beamtengewerkschaften reihte sich allerdings auch in die jüngsten Proteste gegen die Arbeitsmarktreform ein. Der bekannte Autor Didier Eribon fasste die sozialpolitischen Widerstände in den Vorwurf, Macron betreibe „neoliberale“ Politik. Eribon weigerte sich deshalb, an der Einweihung der Buchmesse neben dem französischen Präsidenten teilzunehmen.

Macron hatte es bisher geschafft, die Gewerkschaftsfront gegen die Reform des Arbeitsrechtes zu spalten. Dabei übersah er, dass sich ein neuer Zusammenschluss gegen ihn formiert, der bedeutend weiter geht und ihn in die Zange zu nehmen droht. Die betreffende Front reicht von der linksradikalen Gewerkschaft CGT über die Beamtenschaft bis hin zu den lokalen, oft überwiegend konservativ regierten Gebietskörperschaften. Im neuen Staatshaushalt erhalten die Gemeinden und Departements vom Staat 13 Milliarden Euro weniger als im Vorjahr. Viele Bürgermeister sagen, sie könnten die zunehmende Aufgabenlast nicht mehr wahrnehmen. Da der Staat immer Zuständigkeiten an die lokalen Körperschaften abtrete, seien sie gezwungen, ihre Budgets zu erhöhen und mehr Beamte einzustellen.

Keine breite Zustimmung für Reformpolitik

Der Mittepolitiker Macron sieht sich damit einem Schulterschluss von links bis rechts gegen seine Sparpolitik gegenüber. In der Sache mag er recht haben: Die Zahl der 5,4 Millionen Beamten aller Verwaltungsebenen nimmt in Frankreich seit Jahren übermäßig zu, genauso wie die Staatsschuld, weil die sich abwechselnden Regierungen seit vierzig Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt mehr zustande gebracht haben. Wie all seine Vorgänger im Elysée-Palast ein schlechter Pädagoge, schafft es Macron aber nicht, seinen Landsleuten eine vernünftige Reformpolitik nahezubringen, geschweige denn breite Zustimmung dafür zu ernten.

Sollte der Präsident letztlich scheitern, wäre dies für ihn nicht nur innenpolitisch gravierend: Der Sparkurs Frankreichs war und ist Voraussetzung, dass die deutsche Regierung ihrerseits Zugeständnisse bei der Integration der Eurozone macht.