Eine 25-Jährige erhebt schwere Vorwürfe gegen einen 40 Jahre alten Hypnotiseur. Demnach soll er sie in seiner Praxis sexuell missbraucht und vergewaltigt haben. Der Mann muss sich nun vor Gericht verantworten – und schweigt.

Ludwigsburg - Es sollte ein Befreiungsschlag sein, doch der Termin in einer Hypnosepraxis im Kreis Ludwigsburg geriet für Selma M. (Name geändert) zu einem Tiefschlag. Denn anstatt die körperlichen und seelischen Beschwerden der 25-Jährigen zu lindern, soll sich der 40 Jahre alte Therapeut an seiner Klientin vergangen haben. Deshalb muss er sich nun wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs und Körperverletzung vor dem Amtsgericht Ludwigsburg verantworten.

 

Der Angeklagte hatte die Vorwürfe in seiner Vernehmung bei der Polizei rigoros abgestritten, doch beim Prozessauftakt am Mittwoch schwieg er. Nicht so seine einstige Klientin. Gefasst und ausführlich schilderte Selma M. vor dem Amtsgericht, was ihr im Frühjahr des vergangenen Jahres bei einer Sitzung in der Praxis des Angeklagten widerfahren sei. Auch auf die hartnäckigen Nachfragen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung antwortete sie bereitwillig, obwohl sie dabei teils intimste Details öffentlich preisgeben musste.

Der zweite Termin wird zur Tortur

Demnach soll der 40-Jährige, der sich seine Hypnose-Kenntnisse über einige Seminare angeeignet hat, die damals schwierige Situation der jungen Frau für sexuelle Handlungen ausgenutzt haben. Sie war zu ihm gekommen, weil sie sich schwach, krank und blockiert fühlte. Sie habe sich von einer schweren Erkrankung drei Jahre zuvor nicht wieder richtig erholt, zudem seien viele Kindheitskonflikte durch die Krankheit wieder hochgekommen, berichtete Selma M. vor Gericht. Weder die Schulmedizin noch Heilpraktiker hätten ihr helfen können, deshalb habe sie letztlich auf die Hypnose gehofft.

Der erste Termin sei richtig gut gelaufen, erzählte Selma M. – doch der zweite wurde offenbar zu einer Tortur. Denn statt sie zu hypnotisieren sei der Angeklagte zudringlich geworden. Unter einem ständigen Redefluss habe er sie immer wieder von hinten umarmt, an intimen Stellen berührt und nach sexuellen Vorlieben gefragt. Er habe sie mehrfach geschlagen und an den Haaren gezogen, außerdem ausgezogen und sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen – stets mit dem Hinweis, das gehöre zur Therapie. Sie solle es genießen, das sei gut für sie, sagte der Angeklagte laut Selma M. immer wieder. Zudem habe er ihr zu verstehen gegeben, dass sie nur, wenn sie die Sitzung durchstehe, wieder stark und gesund werden könne. Es stehe ihr zwar frei, zu gehen, aber dann bleibe sie schwach und werde vor Sorgen an Krebs erkranken, sagte er offenbar.

Verteidiger will Einstellung des Verfahrens

Vor Gericht beschrieb die junge Frau ihre Lage als verzweifelt. Sie habe sich sehr unwohl gefühlt in dieser Sitzung und habe dem Angeklagten immer wieder gesagt, er solle aufhören, sie wolle das nicht. In manchen Momenten habe sie versucht, sich zu wehren, etwa, als der 40-Jährige ihr die Hose heruntergezogen habe. Doch meistens sei sie „stocksteif“ gewesen: „Ich konnte mich einfach nicht bewegen“ – warum, wisse sie nicht. Zudem sei sie überfordert gewesen: „Ich wusste einfach nicht, was ich machen soll“, erklärte sie. Letztlich habe der Angeklagte sie nach vier Stunden mit dem Hinweis verabschiedet, sie dürfe zu einer kostenlosen Sitzung wiederkommen, wenn er dann sexuelle Handlungen an ihr vornehmen dürfe.

In der Gerichtsverhandlung ging es in weiten Teilen um die Fragen, inwiefern sich Selma M. gegen die angeblichen Übergriffe gewehrt habe – und ob diese überhaupt passiert seien. So stellte der Verteidiger die Überlegung in den Raum, die Klientin sei eventuell hypnotisiert gewesen und erinnere sich nun an Dinge, die sich in ihrer Fantasie, nicht aber in der Realität abgespielt hätten. Zudem regte er angesichts komplizierter Rechtsfragen an, das Verfahren einzustellen. So ist auch ein früherer Prozess mit ähnlichen Vorwürfen gegen den Angeklagten ausgegangen, ein weiteres Verfahren ist anhängig. Doch nun soll zunächst ein Sachverständiger zum Thema Hypnose gehört werden, der Prozess wird am 1. März fortgesetzt.