Ein Paar zog aus, um zu leben wie Bonnie und Clyde. Die Polizei verhaftete die beiden beim Geldzählen in Nufringen.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Das Schlusswort ist eine Frage: „Wenn Sie abhauen, müssen Sie wieder in Haft, kapiert?“ So sagt es der Richter Günter Scheible. Die Angeklagte nickt, ob nur ordnungs- oder wahrheitsgemäß, scheint offen. Selbst der Staatsanwalt hegt keinen Zweifel, dass die 20-Jährige im Geiste der Jugend weit näher ist als dem Erwachsensein.

 

Sie ist eben vom Böblinger Amtsgericht zu neun Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Dies mit der Auflage, dass sie einen Drogenentzug beendet, den sie vor vier Wochen in der Untersuchungshaft begonnen hat. Andernfalls, ist die Bewährung hinfällig. Ihr Mitangeklagter, 28Jahre alt, wird zwei Jahre im Gefängnis leben – nicht zum ersten Mal. Nach sechs Jahren hinter Gittern dauerte es fast auf den Tag genau drei Monate, bis die Polizei ihn erneut verhaftete, in Nufringen.

Im Handschuhfach lag eine Schreckschusspistole

Das Paar zog von Fulda aus gen Süden, um „zu leben wie Bonnie und Clyde“. So hatte es die junge Frau ihrer Schwester angekündigt. Dass der Satz nicht nur dahingesagt war, scheinen Funde in einem Auto zu bestätigen. Im Kofferraum lagen Einbruchswerkzeug, Einwegoveralls, im Handschuhfach eine Schreckschusspistole. In ihrer Heimatstadt hatten die beiden den Citroen gestohlen, dessen Eigentümerin arglos scheint. Das Garagentor stand offen. Der Autoschlüssel lag in einem Regal.

Das Gangsterleben begann am 26. April in Jettingen. „Warum dort?“, will Scheible wissen. „Das ist nicht gerade der Nabel der Welt.“ Wahlweise „Zufall“, „weiß nicht“ oder „ich habe nicht viel dabei gedacht“. Das sind die häufigsten Antworten der beiden Angeklagten auf gleich welche Frage, auch auf diese. Die beiden zerschlugen ein Fenster und stiegen ins Jettinger Bürgerhaus ein. An einer Schiebetür scheiterten sie und fuhren weiter nach Herrenberg.

Dort knackte der 28-Jährige mit einem Schraubenzieher den Automaten auf dem Parkplatz der Volksbank. Mit 2000 Euro Beute stieg er wieder in den Wagen, in dem seine Freundin wartete, betrunken wie er selbst. Im Vergleich zur Originalgeschichte von Bonnie Parker und Clyde Barrow endete die Gangsterkarriere glimpflich und zügig. Die Polizei verhaftete das Paar kurz danach auf einem Parkplatz beim Nufringer Friedhof beim Geldzählen. Anwohnern war das Auto verdächtig geworden, weil in ihm immer wieder Licht aufflackerte.

Schon die Jugend der Angeklagten schien wenig zu verheißen

Schon die Kindheit und Jugend der beiden Angeklagten schien wenig mehr zu verheißen als ein Leben in Abhängigkeit vom Staat oder Straftaten. Die 20-Jährige brach die Hauptschule ab, wohnte bis zur Verhaftung bei ihrer Mutter und ist seit drei Jahren Mutter einer Tochter. Im Alter von zwölf Jahren trank sie zum ersten Mal Alkohol, seit ihrer Volljährigkeit täglich. Synthetische Drogen kamen hinzu. Die Großmutter kümmerte sich immer um das Kind.

Der 28-Jährige lebt seit 14 Jahren bei Pflegeeltern. In einem solchen Fall „weiß man, wie beschissen das Zuhause ist“, sagt sein Verteidiger Ralf Kowarsch. 2010 brach sein Mandant eine Lehre zum Gebäudereiniger ab, zwangsläufig. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Achtmal zuvor hatten Gerichte es bei milden Urteilen belassen. 2012 folgte wegen zehnfachen Diebstahls und Brandstiftung eine Verurteilung zu viereinhalb Jahren Haft. Die Mehrzahl der Straftaten wertete das Böblinger Gericht als Beschaffungskriminalität. Der 28-Jährige schnupft Kokain und raucht Cannabis. Nach eigener Aussage kam er auch während seiner Haft stets an Drogen.

Die neuerliche Gefängnisstrafe von zwei Jahren gebe dem 28-Jährigen „die Gelegenheit, seinen Hintern hochzukriegen“, sagt Scheible. Zumindest Teile der Strafe kann er statt im Gefängnis in einer Entzugsklinik verbringen. „Ansonsten endet es mit Ihnen irgendwann mit dem, was Sie den Rucksack nennen.“ Was ins juristische Deutsch übersetzt ein Urteil mit anschließender Sicherungsverwahrung heißt. Die dauert im Zweifel bis ans Lebensende.