Der russische Lobbyist Bykov darf nach dem dritten Schiedsurteil insgesamt 94 Millionen Euro behalten. Der Energiekonzern klagt nun gegen eigene Manager – allerdings mit zweifelhaften Aussichten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Rechtsstreit um Millionengeschäfte mit dem russischen Lobbyisten Andrey Bykov hat die EnBW erneut eine schwere Niederlage erlitten. Der Karlsruher Energiekonzern verlor jetzt auch das letzte von insgesamt drei Schiedsgerichtsverfahren. Vor einem Schiedsgericht in Zürich scheiterte die zum Unternehmen gehörende Kernkraftwerk Obrigheim GmbH mit der Klage gegen die Bykov-Gruppe auf Rückzahlung von 46,5 Millionen Euro. Dies teilte die EnBW jetzt selbst mit.

 

Das Unternehmen hatte die Klage nach eigenen Angaben damit begründet, Dienstleistungen der Schweizer Bykov-Firma Pro Life Systems SA beim Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim seien nicht ordnungsgemäß erbracht worden. Dagegen habe das Schiedsgericht die Auffassung vertreten, die vertraglich vereinbarten Leistungen seien „in ausreichender Form“ erbracht worden. Der Argumentation Bykovs, es habe sich um Scheingeschäfte gehandelt, mit denen seine Lobbyarbeit für die Anbahnung großer Gasgeschäfte getarnt worden sei, sei das Gericht hingegen nicht gefolgt, betonte die EnBW. Gegen die Entscheidung sind keine Rechtsmittel möglich.

Damit hat Bykov von den drei Schiedsverfahren zweieinhalb gewonnen. Bereits im Mai vorigen Jahres hatte ein Gericht die Klage der EnBW-Kernkraft-Gesellschaft (EnKK) auf Rückzahlung von 35,6 Millionen Euro zurückgewiesen. Dabei ging es um einen Lager- und Sicherungsvertrag für Kernbrennstoff, den die Bykov-Gruppe aus EnBW-Sicht nicht erfüllt hatte. Das Schiedsgericht habe den Anspruch jedoch wegen „nicht hinreichender Klarheit dieses Vertrages“ zurückgewiesen. Einen Bezug zu Aktivitäten im Gasbereich wollte es nicht ausschließen. Dagegen wurde die Schweizer Bykov-Firma Eurepa Suisse SA verurteilt, 24,5 Millionen Euro an die EnKK zurückzuzahlen. Die Begründung: ein Vertrag über die Lieferung von Uran sei nicht erfüllt worden. Der Betrag wurde nach früheren Angaben jedoch noch nicht bezahlt. Die Schweizer Firma hat ihre Geschäftstätigkeit inzwischen eingestellt und ist angeblich nicht zahlungsfähig.

Richterin hält Verträge offenbar für fragwürdig

Im Juni hatte ein Schiedsgericht eine Klage der EnKK gegen Eurepa auf Rückzahlung von zwölf Millionen Euro abgewiesen. Dabei handelte es sich nach Unternehmensangaben um ein Darlehen zur Entwicklung eines Überwachungssystems für radioaktive Abfälle in Russland. Das Gericht habe den Anspruch „allein aus vertraglichen Gründen“ abgewiesen, hieß es damals. Von den knapp 120 Millionen Euro, um die es in den drei Schiedsverfahren ging, darf Bykov demnach gut 94 Millionen Euro behalten.

Die EnBW bemüht sich derweil weiter, ehemalige und aktive Manager wegen der Russland-Geschäfte in Anspruch zu nehmen. Vor dem Landgericht Heidelberg begann am Dienstag unter großem Medienandrang ein Verfahren gegen den früheren Technikvorstand Thomas Hartkopf. Der Konzern verlangt von ihm 26 Millionen Euro Schadenersatz, weil er als Aufsichtsratschef der zuständigen Tochtergesellschaft Pflichten verletzt haben soll. Dabei geht es um zwei Verträge über zwölf und 14 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem – nie realisierten – Überwachungssystem für Nuklearmaterial. Hartkopf, der bereits 2007 ausgeschieden ist, erschien nicht persönlich zu dem Prozess, sondern ließ sich von seinen Anwälten vertreten.

Verhandlung wird im September fortgesetzt

Die Vorsitzende Richterin machte deutlich, dass sie die Verträge für fragwürdig hält; es fehle an Sicherheiten und der Gegenleistung. Zugleich ließ sie Zweifel erkennen, ob EnBW die Ansprüche gegen Hartkopf durchsetzen kann. Eindringlich empfahl sie den Prozessparteien, nach einem gescheiterten Einigungsversuch doch noch eine gütliche Lösung anzustreben; sie sollten ihren Streit mit Hilfe einer Wirtschafts-Mediation beilegen. Die Verhandlung wird im September fortgesetzt.

Bereits im vorigen Jahr war vor dem Landgericht Mosbach eine Klage gegen einen früheren Geschäftsführer des Kernkraftwerks Obrigheim verhandelt worden. Die EnBW verlangt von ihm wegen Pflichtverletzungen 8,5 Millionen Euro, der Ex-Manager weist die Forderung als unbegründet zurück. Um ungleich höhere Forderungen geht es in zwei anstehenden Verfahren. Frühestens im März wird das Landgericht Heilbronn eine Klage gegen den früheren EnKK-Geschäftsführer Wolfgang Heni verhandeln; von ihm fordert die EnBW fast 94 Millionen Euro. Am 7. März verhandelt das Landgericht Landau erstmals die Klage der EnBW gegen den amtierenden Technikvorstand Hans-Josef Zimmer. Das Unternehmen verlangt von ihm wegen Pflichtverletzungen 80 bis 90 Millionen Euro, was Zimmer als unbegründet zurückweist. Trotz der laufenden Millionenklage war er nach einer Auszeit wegen der Russland-Geschäfte erneut als Vorstand bestellt worden.