Fünf Jahre lang haben die Autonomen Nationalisten in Göppingen ihr Unwesen getrieben. Vor dem Stuttgarter Landgericht packt einer ihrer Rädelsführer jetzt aus.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen/Stuttgart - Ein Aktivist der Göppinger Antifa hat offenbar versucht, sich bei den Autonomen Nationalisten einzuschleusen. „Er hat uns mit Veranstaltungsterminen der Linken versorgt, damit wir dort stören können“, sagte Daniel R. am Donnerstag vor der Staatsschutzkammer des Stuttgarter Landgerichts. Dort muss sich der ehemalige Landesvorsitzende der Partei Die Rechte zusammen mit drei ehemaligen Gesinnungsgenossen unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verantworten.

 

Daniel R. will wie sein Mitangeklagter Stephan H. vor Gericht ein umfassendes Geständnis ablegen, die beiden anderen schweigen und lassen sich von rechten Szeneanwälten vertreten. Die Autonomen Nationalisten, die über fünf Jahre mit Demonstrationen, Aufklebern, Bannern, Graffiti und gewalttätigen Übergriffen in Göppingen für Ärger sorgten, waren Ende des vergangenen Jahres von Innenminister Reinhold Gall (SPD) verboten worden.

Partys finanzieren die rechten Umtriebe

Ob der selbst ernannte verdeckte Ermittler seine gefährliche Aktion mit anderen abgesprochen hatte, ist unbekannt. Die Partei Die Linke, deren Jugendorganisation der junge Mann zeitweise angehörte, sei jedenfalls nicht informiert gewesen und hätte es auch nicht gebilligt, sagte der stellvertretende Kreisvorsitzende Christian Stähle. Letztlich blieb der Einschleusversuch auch erfolglos. Der Undercover-Agent sei aufgeflogen, als er am Bahnhof Flugblätter der Linken verteilte, erklärte R.

Das Gericht dürfte in der Geschichte zumindest ein kleines Indiz dafür sehen, dass sich die Autonomen Nationalisten bei ihren zunächst monatlichen, später wöchentlichen Treffen konspirativ verhielten. „Jeder durfte da nicht hinkommen“, sagte R. vor Gericht. Bei den Zusammenkünften, an denen offenbar bis zu zwölf Personen teilnahmen, seien Aktionen gegen Linke vorbesprochen und die Oktober-Demonstrationen geplant worden. Ansonsten skizzierte der 23-Jährige die vorrangige Wochenendbeschäftigung so: „Trinken, Aufkleber verkleben, auf Veranstaltungen fahren.“ Auch Partys seien regelmäßig gefeiert worden. Sie dienten nicht zuletzt der Finanzierung der Aktivitäten. So verfügte die Gruppe seit einem Grillfest auf einer gepachteten Wiese über eine eigene Kasse, in der sich mehrere hundert Euro befanden. Später habe man einen freiwilligen Mitgliedsbeitrag von 20 Euro im Monat vereinbart. Das Gericht könnte in der Existenz dieser Kasse einen weiteren Beleg für eine kriminelle Vereinigung sehen.

Gründung nach einem Wasen-Besuch

Viel Alkohol war laut R. schon bei der Gründung der Autonomen Nationalisten im Jahr 2009 im Spiel. Nach einer durchzechten Nacht auf dem Cannstatter Wasen sei er um 6.30 Uhr am Morgen mit dem Zug in Göppingen angekommen. Dort habe er den ihm bis dahin unbekannten mitangeklagten Manuel G. kennengelernt, der als intellektueller Kopf der Gruppe gilt. „Er hat mich angepöbelt.“ Auf dem Bahnhofsvorplatz habe es dann eine Auseinandersetzung mit Passanten gegeben. Eine Flasche flog. Daraufhin habe man sich davon gemacht und den weiteren Vormittag in einer Kneipe zugebracht.

Zwischen zwei Bieren habe ihm ein Begleiter davon erzählt, dass G. in Göppingen eine neue nationale Kameradschaft aufbauen wolle. Die Internetseite der Autonomen Nationalisten gab es da schon, Mitglieder allerdings noch nicht. G. und R. waren die ersten. „Und wie ging es dann weiter?“, fragte die Richterin. „Ich bin nach Hause und habe mit meinem Vater einen Sarg für meine Oma ausgesucht.“ Die Vernehmung von R. wird am Freitag fortgesetzt.