Vier Stuttgart-21-Demonstranten wurden nun verurteilt, weil sie Ende Juli in das Bahnhofsgebäude eingedrungen waren.

Lokales: Christine Bilger (ceb)
Stuttgart - Seine Strafe akzeptiert Mark Pollmann. Das Amtsgericht hat ihn und drei weitere Demonstranten gestern wegen Hausfriedensbruchs zu Geldstrafen zwischen 50 und 350 Euro verurteilt, weil sie am 26. Juli 2010 zusammen mit etwa 50 weiteren Personen den inzwischen abgerissenen Nordflügel des Hauptbahnhofs besetzt hatten. Was Pollmann aber nicht akzeptiere, sei, "diesem Staat Geld zu bezahlen", in dem er "eine Entwicklung hin zum Unrechtsstaat" sehe, sagte der Stuttgart-21-Gegner. Lieber gehe er ins Gefängnis und entscheide sich für die Ersatzfreiheitsstrafe, sagte der Parkschützer.

Auf der Anklagebank saßen am Donnerstag drei Männer und zwei Frauen, denen Hausfriedensbruch vorgeworfen wurde. Weil sie gegen Strafbefehle Einspruch eingelegt hatten, wurde öffentlich über den Vorfall verhandelt. Am Abend des 26. Juli war eine Gruppe von Demonstranten von der 39. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 zu dem Seitenflügel gezogen, um gegen dessen Abriss zu demonstrieren, der vier Wochen später erfolgte. Wie sie in das Gebäude gelangten, das durch einen Zugangscode gesichert war, wurde nicht geklärt. Vier der fünf Beschuldigten räumten ein, in dem Gebäude gewesen zu sein. Der Fünfte im Bunde, der Vaihinger SÖS-Bezirksbeirat Gerhard Wick, wurde freigesprochen. Er sei nicht im Nordflügel gewesen, sondern außerhalb auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz verhaftet worden, sagte er. Daher beantragte der Staatsanwalt für ihn einen Freispruch.

Strafantrag seitens der Bahn


Den Strafantrag hatte die Deutsche Bahn Station and Service AG gestellt. An diesem Punkt setzte der Verteidiger der Stuttgart-21-Gegnerin Simone Lang an. Er stellte infrage, ob das Unternehmen denn überhaupt zu jener Zeit das Hausrecht ausüben konnte. Denn die Post, der frühere Besitzer des inzwischen abgerissenen Gebäudeteils, habe noch Schlüssel und einen Zugangscode gehabt. Als Zeuge sagte der stellvertretende Bahnhofsmanager aus: Er sagte, der Nordflügel sei von der Post bereits Ende 2009 an die Station and Services übergeben worden. Den Schlüssel habe die Post nur noch gehabt, um das Gebäude leer räumen zu können. Nach Ansicht des Anwalts lag kein Hausfriedensbruch vor, weil seine Mandantin und die übrigen Beschuldigten die Abrissarbeiten nicht behindert hätten.

Der Staatsanwalt sah das anders. Für ihn war der Tatbestand des Hausfriedensbruchs gegeben. "Dass eine Tür offen steht beziehungsweise der Zugangscode bekannt war, berechtigt nicht hineinzugehen", sagte er. Das sei auch nicht durch das Versammlungsrecht zu legitimieren. "Das ist zwar ein Grundrecht, aber es tangierte in diesem Fall andere Grundrechte", nämlich die der Eigentümer, sagte der Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler. Das Hausrecht sah er klar bei der Deutsche Bahn Station and Services AG, da die Post das Gebäude schon komplett geräumt hatte. Das bestätigten auch die Demonstranten. "Die faktische Nutzung durch die Post fand nicht mehr statt", folgerte der Staatsanwalt, damit sei auch das Hausrecht bei der Bahn und deren Tochter berechtigt, eine Anzeige zu stellen. Der Richter Harald Fritz blieb mit seinem Urteil unter den Forderungen des Staatsanwaltes, der 20 Tagessätze für die vier Demonstranten gefordert hatte. Er verhängte lediglich 10 Tagessätze, das sind je nach Einkommen der Stuttgart-21-Gegner zwischen 50 und 350 Euro.

Die Organisation Parkschützer, der sich drei der fünf Angeklagten angeschlossen haben, bezeichnete das Urteil als "milde". Der Staatsanwaltschaft warfen die Parkschützer allerdings vor, schlampig ermittelt zu haben. Schließlich sei Gerhard Wick ein Strafbefehl zugestellt worden, obwohl er außerhalb des Gebäudes festgenommen worden war. Die Ermittler legten keine Beweise vor, dass er im Gebäude gewesen war.