Zwei Männer aus Stuttgarts linker Szene werden wegen gefährlicher Körperverletzung bei einer Pegida-Demonstration verurteilt.

Stuttgart - Er sagte, ich Nazi solle mich verpissen, und hat mir direkt eine abgezogen.“ Mit blumigen Worten schilderte ein 46-Jähriger vor dem Amtsgericht Stuttgart, was ihm im Mai 2015 in der Stuttgarter Innenstadt widerfuhr. Mit einem Bekannten war er auf dem Weg zu einer Pegida-Kundgebung auf dem Kronprinzplatz. Etwa 200 Personen versammelten sich dort, um gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ zu protestieren.

 

Weil sich darunter Neonazis und rechte Hooligans befanden, umzingelten damals mehrere Tausend Gegendemonstranten den Platz. „Es war relativ großer Aufruhr, Pegida-Anhänger versuchten immer wieder, durch die Absperrungen zur Veranstaltung zu gelangen“, skizzierte ein Bruchsaler Bereitschaftspolizist die Situation. „Wir wollten mal gucken, was die zu sagen haben“, beschrieb der Zeuge vor Gericht sein Interesse an Pegida. Doch stattdessen bezog das Duo Prügel. Bis zu fünf Gegner der rechten Versammlung sollen daran beteiligt gewesen sein. Drei junge Männer aus Stuttgart landeten schließlich vor Gericht.

Widersprüche und Ungereimtheiten in der Verhandlung

Schmerzhafte Prellungen und Hämatome an Gesicht und Körper waren die Folge des Angriffs. Von „Angst und Panikgefühlen beim Verlassen des Hauses“ berichtete der Geschädigte. Sein 49-jähriger Bekannter gab zunächst an, durch den Angriff seine Arbeit verloren zu haben. Dann ruderte er zurück: Aufgrund der Verletzungen musste er lediglich einen Probearbeitstag vorzeitig abbrechen. „Das war keine bewusst falsche Aussage“, stellte Rechtsanwalt Alexander Heinig klar, der die Geschädigten als Nebenkläger vertrat.

Aufseiten der Verteidigung führten Widersprüche und Ungereimtheiten in der zweitägigen Verhandlung immer wieder zu Kritik. Einen der Angeklagten erkannten die Opfer nicht wieder. Wie ihn die Polizei später als mutmaßlichen Täter identifizierte, blieb ungeklärt. Ein ziviler Beamter, der den Tumult beobachtete, konnte dazu aus „einsatztaktischen Gründen“ nichts sagen und verwies auf seine Aussagegenehmigung. „Es ist schwer, ihm etwas Konkretes zuzuordnen“, erklärte die Amtsrichterin Susanne Böckeler. Gegen die Zahlung einer Geldbuße von 500 Euro stellte sie das Verfahren gegen den Mann ein. Strafverteidiger Christos Psaltiras nahm auch die Ermittlungen der Polizei gegen die anderen Angeklagten ins Visier. Eine Kriminalbeamtin hatte den Opfern der Attacke nur Bilder der Beschuldigten vorgelegt. „Hier wurden Grundsätze der Wahllichtbildvorlage über den Haufen geworfen“, sagte Psaltiras.

Richterin bescheinigt eine „ungünstige Kriminalprognose“

Nach der Vernehmung von neun Zeugen war die Richterin Böckeler aber überzeugt, dass die beiden heute 21 und 25 Jahre alten Angeklagten bei der Auseinandersetzung dabei waren. Beide wurden kurz nach der Attacke in Tatortnähe festgenommen. Einer von ihnen trug ein auffälliges rotes T-Shirt. Die Amtsrichterin verurteilte die beiden wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafen von jeweils sechs und sieben Monaten. Im Falle eines Angeklagten kam die Beleidigung des Opfers hinzu.

Bei seinem Kollegen fanden Polizisten einen Mundschutz und Handschuhe. Er verstieß damit auch gegen das Versammlungsgesetz. Neben einer Geldbuße von 2000 Euro müssen die Männer auch an die Verprügelten jeweils 1000 Euro zahlen.

Angesichts ihrer einschlägigen Vorstrafen stellte die Richterin den Männern aus der Stuttgarter linken Szene eine „ungünstige Kriminalprognose“. Trotzdem appellierte sie: „Es kann nicht hingenommen werden, dass politische Ansichten mit Fäusten ausgetragen werden wie im Mittelalter.“