Von der Bäckerei aus war alles zu sehen. Nun hat das Amtsgericht Göppingen ein Pärchen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Es gibt Dinge, die will man nicht sehen. Und noch weniger will man über sie vor Gericht aussagen. So gesehen, waren die drei Bäckereifachverkäuferinnen, die jetzt bei einem Prozess am Jugendgericht brav ihre Aussage machten, sehr tapfer. Minutiös schilderten sie, was sie an einem Nachmittag im Mai durch das Schaufenster ihrer Filiale in Heiningen beobachtet hatten: Ein junges Pärchen sei zur Bushaltestelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite gekommen, habe es sich auf der Bank bequem gemacht und dann-weil der Bus nicht gleich kam-damit begonnen, sich auf recht private Art und Weise die Wartezeit zu verkürzen.

 

Die junge Dame habe ihrem Begleiter den Hosenstall geöffnet und ihn oral befriedigt, erklärte eine 46-jährige Verkäuferin. "Das war ganz eindeutig", ergänzte ihre 24-jährige Kollegin. Und die Seniorchefin berichtete von einem Buben "von höchstens zwölf Jahren", der direkt daneben gestanden sei. "Das kann ja wohl nicht sein", habe sie noch gesagt und dann die Polizei gerufen. "Wenn du über die Straße brüllst, kriegst du ja doch nur eine dumme Antwort", erklärte die 54-Jährige vor Gericht. Als nach acht Minuten der Bus kam, habe der junge Mann seinen Hosenladen wieder geschlossen und beide seien eingestiegen. Die gleichzeitig eintreffende Polizei habe sie dann wieder herausgezogen.

Peinlich berührt, aber keineswegs geständig saßen jetzt eine damals 17-Jährige und ihr drei Jahre älterer Begleiter auf der Anklagebank im Göppinger Amtsgericht. Die Vorwürfe seien eine glatte Rufschädigung und dummes Geschwätz, schimpfte die Angeklagte. Sie habe doch nur den Kopf auf den Schoß ihres Begleiters gelegt. Am helllichten Tag an einer viel befahrenen Straße dem Oralsex nachzugehen, das sei ja wohl "leicht dumm". In diesem Punkt gab ihr der Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Rometsch Recht. Andererseits müsse die Angeklagte selbst zugeben, dass im Anbetracht ihres Vorstrafenregister in ihrem Leben "schon einiges dumm gelaufen" sei.

Schwanger von einem anderen Mann

Auch der junge Mann, der laut der Zeuginnen "sehr entspannt" auf der Wartebank gesessen habe, wollte sich nun an keinen Oralsex erinnern. "Wir waren auf dem Weg zu mir. So lange hätten wir ja locker warten können", versuchte er sich zu verteidigen. Doch für Rometsch waren die Aussagen der Zeuginnen eindeutig. Der Gedanke, sie würden die Angeklagten zu Unrecht belasten, sei völlig abwegig. So etwas denke sich niemand freiwillig aus. "Oder ist es für Sie ein besonderes Highlight, hier aussagen zu dürfen?", fragte er eine der Frauen, die nur müde den Kopf schüttelte.

Immerhin für den erfahrenen Amtsgerichtsdirektor war der Prozess schon ein kleines Highlight. "Mit dem Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses hatte ich es seit meiner Referendarszeit nicht mehr zu tun", bekannte er. Sein Urteil fiel denn auch vergleichsweise milde aus, was allerdings mit anderen Umständen zusammenhängt. Die mittlerweile 18-Jährige ist zwar von einem anderen Mann, aber doch unübersehbar, im sechsten Monat schwanger. Eine Arbeitsauflage sei ihr deshalb nicht zuzumuten. Beim Jugendamt muss sie nun zwei Erziehungskurse belegen.

Vor diesem Hintergrund gab es auch für den jungen Mann, der dem Erwachsenenstrafrecht unterliegt, einen kleinen Rabatt. Er muss 800 Euro Geldstrafe zahlen. Ohnehin dürfte es Strafe genug gewesen sein, dass der peinliche Prozess überhaupt stattfand. Das Angebot einer Berufungsverhandlung, bei der dann noch einmal alles zur Sprache kommen würde, lehnten die Angeklagten jedenfalls noch im Gerichtssaal dankend ab.