Der Prozess gegen zwei Rechtsradikale in Winterbach läuft weiter schleppend.

Winterbach - Thermische Belastungen, Primärbrandobjekte, Schuttproben und Theorien über Glimmbrände – an Fachbegriffen mangelt es am fünften Verhandlungstag gegen zwei junge Männer, denen versuchter Mord vorgeworfen wird, nicht. Die Schlussfolgerungen des Brandsachverständigen Tilman Halder dagegen, der die niedergebrannte Gartenhütte in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) unter die Lupe genommen hat, fallen dünn aus: Wo exakt der Brand entstand, wie er verlief und ob er tatsächlich mit einem Scheit aus dem Lagerfeuer entzündet wurde, kann er nicht mit Sicherheit sagen. Der erfahrene Experte des Landeskriminalamtes sagt „unklar“, „merkwürdig“ und „es gibt einige Ungereimtheiten, die ich mir nicht erklären kann“ im Zusammenhang mit dem Feuer, das am 10. April 2011 fünf junge Männer türkischer und italienischer Herkunft bedroht haben soll. Laut der Anklage sind sie in jener Nacht um kurz vor 2 Uhr vor einem Mob Neonazis in die Laube geflüchtet.

 

Ein Ast ist keine Fackel

Einer der rechtsradikalen Angeklagten, ein 21-jähriger Ex-Fallschirmjäger, soll einen Ast aus dem Lagerfeuer gezogen und damit die Hütte angezündet haben. „Das wiederum erscheint mir schwierig“, sagt Halder. Ein Ast sei keine Fackel – und ohne Pech oder ein getränktes Textilteil dürfe es schwer sein, die Flamme bis zur Hütte zu retten. Glut allein könnte zwar auch reichen, um zum Beispiel das Plastikdach der Pergola neben dem Bretterverschlag zu entzünden. Und auch trockene Blätter einer Rankpflanze dort könnten Feuer gefangen haben, bevor das Häuschen lichterloh in Flammen stand und schließlich die Dachkonstruktion in sich zusammenbrach. Doch das seien nichts als Spekulationen, alles rein hypothetisch, so der Experte.

Auf Nachfrage der Verteidigung kann er auch nicht ausschließen, dass das Feuer nicht im Innern der Hütte gelegt worden ist. Brandbeschleuniger haben weder die speziell dafür ausgebildeten Hunde direkt an der Laube gefunden noch ein Detektor, der die Luft auf chemische Verbindungen hin filtert. Allerdings könnten sich, laut dem Experten, zum Beispiel Grillanzünder in dem „sehr massiven Brand“ auch rückstandslos aufgelöst haben.

Von Todesangst getrieben

Eine Frage stellte der Sachverständige zum Schluss seiner Vernehmung auch noch, wenngleich sie sein Metier nicht mal streift: „Wie kann man eigentlich in eine brennende Hütte fliehen?“

Laut den Aussagen der jungen Männer, die sich zum Grillen auf der Wiese getroffen hatten, trieb Todesangst vor Neonazis sie hinein. „Ich habe keinen Kanaken abgekriegt“, habe einer der Rechtsradikalen frustriert gerufen, erzählt ein Zeuge türkischer Herkunft. „Auf einmal sah ich an jeder Ecke Glatzköpfe“, sagt er. „Halt an, Du Scheißtürke“, hätten sie gerufen, als er Hals über Kopf, über Bäume und Steine die Flucht ergriff – allerdings, anders als seine Freunde, weg von der Hütte in Richtung Hauptstraße. Der Prozess wird fortgesetzt.