Zwei Männer, der eine aus dem Kosovo, der andere aus Albanien geflüchtet, müssen sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen mehrere Wohnungseinbrüche verantworten. Einer der beiden 24-Jährigen soll sich überdies falsche Papiere besorgt und einen Mitbewohner angegriffen haben. Beide befinden sich Stand heute illegal in Deutschland.

Koerntal-Münchingen/Stuttgart - Zu schweigen sei das Recht eines jeden Angeklagten. Zu reden könne das Gericht aber mit einem milden Urteil belohnen. Rainer Gless, der Vorsitzende Richter in dem Verfahren um eine Einbruchserie, dazu schwere Körperverletzung, Urkundenfälschung und Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht, weist die beiden Männer bei Prozessbeginn am Landgericht auf den feinen Unterschied hin.

 

Die Angeklagten, beide 24 Jahre alt, entscheiden sich am Dienstag für verschiedene Strategien. Der etwas Ältere nimmt mit einem nicht unsympathisch wirkenden Lächeln neben seinem Verteidiger Platz. Von dort verfolgt er stumm die Verhandlung. Er hofft wohl, dass das Gericht ihm nichts nachweisen kann. Der Jüngere werde sprechen, sagt dessen Verteidigerin. Ihr Mandant sei „aufgeregt und nervös. Mit absoluter Offenheit“ wolle er reden, lässt der aus dem Kosovo stammende Angeklagte den Dolmetscher übersetzen.

Von den Einbrüchen will einer der Angeklagten nichts wissen

Er gibt zu, sich im Mai 2015 gefälschte griechische Ausweispapiere gekauft und damit ein Girokonto eröffnet sowie Handyverträge abgeschlossen zu haben. Auch räumt er ein, einen Mitbewohner am 9. März 2016 mit einem Schraubendreher verletzt zu haben und sich illegal in Deutschland aufzuhalten.

Bei der Frage nach den Wohnungseinbrüchen stößt seine Offenheit an Grenzen. Er wisse nichts über rund 20 Einbrüche zwischen Mai 2015 und Februar 2016 vorwiegend in Korntal-Münchingen, aber auch in Ditzingen, Hemmingen, Kornwestheim, Vaihingen/Enz und Pforzheim. Zur Beute – Mobiltelefone, Schmuck im Wert von mehreren Zehntausend Euro, einem Goldbarren und viel Bargeld – könne er ebenso wenig sagen. Der Staatsanwalt ist indes überzeugt, dass die Telefonüberwachung und das Auffinden der Beute in dessen Unterkunft den 24-Jährigen als Mittäter bei einigen Einbrüchen identifizieren.

Die Familie eines Angeklagten floh vor dem Krieg im Kosovo

Während der Befragung entsteht ein zwiespältiges Bild des jungen Manns: Als ältestes von drei Kindern wächst er im Kosovo auf. 1998 flieht die Familie – der Vater verwundet – vor dem Bürgerkrieg in die Schweiz. Die Familie lebt dort zweieinhalb Jahre, der Angeklagte besucht die Grundschule. „Als wieder Frieden war, sind wir in den Kosovo zurückgekehrt“, berichtet er. Dort erwirbt er einen Schulabschluss ähnlich dem deutschen Abitur. Arbeit findet er danach keine. Das Einkommen der Familie – der Vater Polizist, die Mutter Hausfrau – ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. 2014 reist er daher nach Lyon, um in Frankreich Asyl zu beantragen. Abgelehnt versucht er es Ende 2014 in Deutschland. „Ich wollte fleißig sein“, sagt der Angeklagte. Über die Erstaufnahmestelle in Karlsruhe und über eine Asylunterkunft in Brackenheim landet er in Korntal-Münchingen. Um arbeiten zu können, besorgt er sich per Kredit seiner Eltern für 3000 Euro griechische Papiere. Als vermeintlicher EU-Ausländer schuftet bis zu zehn Stunden am Tag für eine heute insolvente Trockenbaufirma, als Angestellter, kurz danach als ein auf dem Papier selbstständiger Subunternehmer. Dort teilt er sich ein Zimmer mit einem anderen. Sein Einkommen beträgt rund 1400 Euro netto im Monat, wovon er bis zu 700 Euro in die Heimat schickt.

Der Angriff mit dem Schraubendreher bleibt ein Rätsel

Unklar bleibt, weshalb er mit einem Schraubendreher den Mitbewohner angegriffen hat. Nach einer Lappalie habe der Zimmergenosse gedroht, er werde ihm den Kopf abschneiden. Aus Angst habe er Tage später zugestochen.

Eher nebulös bleibt auch sein Verhältnis zu dem ebenfalls illegal in Deutschland befindlichen Mitangeklagten. Der aus Albanien stammende 24-Jährige sei ein Bekannter, den er gelegentlich getroffen habe. Ob er auch vor jenem Angst habe, fragt der Richter. Als er verneint und der Richter nochmals die Strafmilderung erwähnt, sagt dessen Anwältin, ihr Mandant werde nochmals in sich gehen. Den Angeklagten droht eine Verurteilung zu drei bis sechs Jahren Haft. Der Prozess geht am 25. Oktober weiter.