Keine mildere Strafe im Revisionsprozess um den Vater des Winnender Amokläufers Tim K.: Die Staatsanwaltschaft plädiert für eine 21-monatige Haftstrafe zur Bewährung. Ohne die Waffen und die Munition des Vaters hätte der Junge am 11. März 2009 nicht 15 Menschen und sich selbst töten können.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft hat am Freitag im erneuten Prozess um den Amoklauf von Winnenden und Wendlingen beantragt, den Vater von Tim K. wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie fahrlässiger Tötung in 15 und fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen zu 21 Monaten Haft auf Bewährung zu verurteilen. „Der Sohn hat das Massaker mit der Waffe und der Munition des Angeklagten begangen“, so der Staatsanwalt Thomas Hochstein. Wenn der Vater die Tatwaffe und die Munition dazu weggesperrt hätte, wäre die Tat nicht möglich gewesen.

 

Anklage: Vater lehnte weitere Behandlung des Sohnes ab

Entscheidend sei auch, dass der Vater einen Rat des Klinikums in Weinsberg, in dem Tim K. wegen psychischer Probleme von April bis September 2008 fünf Therapiesitzungen absolviert hatte, in den Wind geschlagen habe. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie hatte der Junge von einem „Hass auf die Welt“ und Tötungsfantasien berichtet. Am Ende der Behandlung soll der Junge aber trotz Nachfragen der Ärzte von keinen aggressiven Fantasien erzählt haben. Die Ärzte diagnostizierten aber eine Sozialphobie und eine leichte Persönlichkeitsstörung. Daher rieten sie der Familie, die Therapie weiterzuführen. „Da hätten Sie eingreifen müssen, weil Sie wussten, dass etwas mit Ihrem Kind nicht stimmt“, so Staatsanwalt Hans-Otto Rieleder, der die Anklage mit Hochstein vertritt.

Statt dessen hatte der Vater seinen Sohn mit zum Schützenverein genommen, damit der in sich gekehrte Junge mehr unter die Leute komme. Dort erlernte der 17-Jährige den Umgang mit der späteren Tatwaffe.

Waffe und Munition nicht ordnungsgemäß weggesperrt

Trotz des Wissens um psychische Probleme seines Sohnes habe der Vater die spätere Tatwaffe und die Munition dazu im Keller und im Schlafzimmer des Elternhauses unverschlossen aufbewahrt, so die beiden Staatsanwälte. Diese Pflichtwidrigkeit sei kein „Augenblicksversagen“ gewesen, sondern ein Versagen des 54-Jährigen über eine lange Zeit hinweg. Denn damit habe der Sohn die Gelegenheit gehabt, die Beretta, die hinter Wäsche im Schlafzimmerschrank versteckt gewesen sei, und vor allem die Munition dazu unbemerkt nach und nach im Haus zusammenzutragen. Laut der Staatsanwaltschaft hatte der Vater angesichts der Vielzahl an Munition in der Wohnung, fast 5000 Patronen, den Überblick verloren. „Sie haben sich gedacht, dass schon nichts passiert“, so Hochstein.

Urteil wird für Anfang Februar erwartet

Die nun von den Anklägern geforderte Strafe entspricht dem Urteil von vor zwei Jahren aus dem ersten Prozess am Landgericht in Stuttgart. Wegen formaler Fehler hatte es aber der Bundesgerichtshof kassiert. „Aus der Sicht der Staatsanwaltschaft hat die neue Hauptverhandlung zu keinem neuen Ergebnis geführt“, sagte Hochstein. Eine höhere Strafe ist ausgeschlossen, weil nur die Verteidiger des Vaters von Tim K. eine Revision beantragten.

Die Anwälte der fast 20 Nebenkläger, Angehörige der Getöteten und Verletzte, sowie die drei Verteidiger des Angeklagten haben an drei weiteren Verhandlungstagen Gelegenheit, ihre Plädoyers zu halten. Das Urteil wird für Anfang Februar erwartet.