Im Prozess gegen drei Sympathisanten der Straßengang Osmanen wegen eines brutalen Überfalls werden die drei Angeklagten belastet. Sie schweigen vor Gericht, aber die Ortung ihrer Handys spricht offensichtlich Bände.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Spaß hat es sicher nicht gemacht, womit ein 51 Jahre alter Kriminalhauptkommissar des Polizeipräsidiums Stuttgart in den vergangenen Monaten viel Zeit verbracht hat: Zur Aufklärung eines brutalen Überfalls im April 2016 in Stammheim, der offenbar im Bandenkonflikt zwischen den Osmanen Germania BC und einer kurdisch geprägte Gruppe anzusiedeln ist, hat der Polizist die Daten sogenannter Funkzellen ausgewertet. Dabei konnte man Handyaktivitäten und die Orte der Nutzung ermitteln. Der brutale Überfall wird gerade am Landgericht verhandelt,

 

Bei der Funkzellenauswertung kam eine 502-seitige Tabelle heraus. Die Polizei erfuhr dadurch aber auch, welcher mögliche Beteiligte zur Tatzeit wo gewesen ist, mit wem korrespondierte – und auch, dass sich zumindest das Telefon eines 25-jährigen Angeklagten aus dem Umfeld der Osmanen in der Nähe des Tatorts befunden hat.

Genau wie die Mobiltelefone zweier weiterer Angeklagter, die ihr Opfer am 21. April gegen 22 Uhr zusammen mit dem Mann auf der Anklagebank so heftig mit einem Schlagstock, einem Messer, einem Baseballschläger und Tritten in Stammheim traktiert haben sollen, dass die Staatsanwalt als versuchten Totschlag einordnet.

Der Angekklagte schweigt

Die beiden mutmaßlichen Mittäter werden in gesonderten Strafverfahren verfolgt. Der Angeklagte, dessen Fall am Freitag weiterverhandelt wurde, hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Selbst ob er etwas zu seiner Person sagen möchte, bleibt offen.

Die Funkzellenauswertung lieferte nicht nur Erkenntnisse, sondern warf auch neue Fragen auf. Denn um die Tatzeit hatten sich die jungen Männer, die sich mittlerweile in Untersuchungshaft befinden, mit ihren Mobiltelefonen nicht nur untereinander immer wieder kontaktiert.

In den Daten, die das Landeskriminalamt (LKA) – das bei den Ermittlungen eng mit dem Polizeipräsidium kooperiert – von den Netzbetreibern angefordert hatte, taucht ein weiterer Protagonist auf, der mit den mutmaßlichen Tätern in Kontakt stand. Sein Handy ist auf den Namen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angemeldet. „Das wird wohl nicht ganz ernst gemeint sein“, mutmaßte der Vorsitzende Richter.

Ein Blick in die Historie der Osmanen Germania, die sich selbst als Boxclub verstehen, von den Behörden allerdings als die in Deutschland am schnellsten wachsende Straßengang gehandelt werden, könnte aber auch einen anderen Schluss zulassen. Denn seinen Ausgang nahm der Konflikt der Osmanen und der rivalisierenden kurdisch geprägten Gruppierung vor etwa einem Jahr in Stuttgart. Damals marschierten Osmanen-Mitglieder bei einer Demo nationalistischer Türken mit – und dabei kam es zu Handgemengen mit Gegendemonstranten aus der anderen Gruppe.

Seitdem gibt es fast kein Halten mehr: Offenen Anfeindungen im Internet folgte Gewalt. Nachdem der Angeklagte und seine mutmaßlichen Komplizen ihr Opfer im April attackiert haben sollen, ließ der Vergeltungsschlag nur einen Tag auf sich warten:

Wegen dieser Tat sind in einem weiteren Prozess am Landgericht drei Männer und eine Frau ebenfalls wegen versuchten Mordes angeklagt, auch hier waren Schlagwerkzeuge und Messer im Spiel. Diese Verhandlung wurde am Freitag übrigens ebenfalls am Landgericht fortgesetzt, nur einen Saal weiter. Dementsprechend groß waren auch das Polizeiaufgebot und die Kontrollen.

Wenn es in den Gerichtssälen auch friedlich blieb: Ein Ende der Gewaltspirale ist nicht in Sicht. Erst vergangene Woche wurde in dem zweiten Prozess ein Zeuge, der laut Polizei keiner der Gruppen angehört, auf offener Straße in seinem Auto Ziel einer Messerattacke.