Der Stiefvater muss nach dem gewaltsamen Tod des dreijährigen Alessio aus Lenzkirch für sechs Jahre und zwei Monate in Haft. Doch es bleibt unbegreiflich, warum das Jugendamt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald den gefährdeten Jungen nicht aus der Familie geholt hat, meint Heinz Siebold.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Sechs Jahre und zwei Monate Haft dafür, dass ein Dreijähriger roh und gefühllos totgeschlagen wurde – ist das genug Sühne? Nur im Strafmaß ist die Strafkammer des Freiburger Landgerichts unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft geblieben. Sowohl Anklage als auch Gericht haben sich viel Mühe gegeben, sie waren sich bewusst, dass nach der Welle der Empörung über die Tat in der Region fast jedes Urteil zu Kontroversen führen würde.

 

Das Strafgericht hat seine Aufgabe gelöst und hat das abgeurteilt, was es beweisen und strafrechtlich würdigen konnte. Dass anscheinend nicht alle, von Ärzten festgestellte Verletzungen des Kindes als Folgen von Misshandlungen zweifelsfrei aufzuklären waren, mag unbefriedigend sein. Aber der Prozess lenkt erneut den Blick auf das Jugendamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, das aus für die Öffentlichkeit unergründlichen Motiven nicht dafür gesorgt hat, dass der gefährdete Junge aus den fragilen Verhältnissen herausgeholt wurde. Aus der Obhut von zwei bekanntermaßen in der Kindheit selbst misshandelten und offenbar überforderten Erziehungsberechtigten und nur eingeschränkt zur Erziehung Fähigen.

Nach eindringlichen Warnungen von etlichen Ärzten, nach zwei Behandlungen in der Uniklinik – das Amt handelte auch dann nicht, als die Kinderklinik Anzeige erstattet hat. Der Junge hätte geschützt werden müssen. Seine immer wieder aufgefallenen, auf Misshandlung deutenden Verletzungen über einen Zeitraum von zwei Jahren, die labile Konstellation des Paares und die angespannte Lage auf dem großen Bauernhof boten ausreichende Alarmzeichen für konsequentes Handeln.

Stattdessen wurde der Junge den Überforderten zurückgegeben. Die hartleibige Haltung des Landratsamtes, das von Anfang an jede Fehlentscheidung bestritten hat, ist nach dem Urteil des Landgerichtes noch fragwürdiger geworden.