Jahrelang soll ein Mann in seiner Hausmeisterwohnung im Stuttgarter Norden Scheinrechungen für Bauunternehmer gebastelt haben. Der Schaden geht laut Anklage in die Millionen. Jetzt steht der Mann vor Gericht.

Stuttgart - Die Zahlen sind enorm. Ein 45 Jahre alter Hausmeister und Firmenchef im Nebenerwerb soll Kunden aus dem Bau- und Reinigungsgewerbe jahrelang mit sogenannten Abdeckrechnungen versorgt haben. Damit sollen die vier mitangeklagten Firmeninhaber ihre Ausgaben betrügerisch hochgerechnet und so ihre Steuer- und Abgabenlast verringert haben. Der Schaden für die Sozialkassen belaufe sich auf 2,2 Millionen Euro, so Oberstaatsanwalt Andreas Thul-Epperlein. Der Fiskus sei um rund 420 000 Euro Lohnsteuer geprellt worden.

 

Der 45 Jahre alte Hauptangeklagte, der bereits seit Ende Juli vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sitzt, hatte sich laut Anklage darauf spezialisiert, seine Kunden mit Scheinrechnungen nach deren Vorgaben auszustatten, also mit Rechungen für Dienstleistungen, die es gar nicht gab. Diese Rechungen fanden Eingang in die Buchhaltung der Bauunternehmer. Umfang der Abdeckrechungen zwischen 2011 und 2015: knapp 4,4 Millionen Euro. Doch seine Kundschaft habe nicht nur ihre Abgabenlast senken wollen, sondern zudem Bargeld für Schwarzlöhne benötigt. Auch damit konnte der Hausmeister, der nebenher noch ein Gebäudedienstleistungsunternehmen im Stuttgarter Norden betrieb war, dienen. Und zwar mit dem sogenannten Kick-Back-Verfahren.

Bargeld durch Kick-Back-Verfahren

Dabei überweist der Unternehmer den Betrag der Scheinrechnung auf ein Konto des Scheinrechnungsausstellers. Der Unternehmer kann dies als Firmenausgaben deklarieren. Der Aussteller hebt das Geld ab und gibt es dem Unternehmer in bar zurück. So kommt der Unternehmer zu Bargeld, das er zur Bezahlung seiner Schwarzarbeiter verwenden kann. Ein gutes Geschäft für alle Beteiligten. Denn der 45-jährige Hausmeister und mutmaßliche Scheinrechnungslieferant soll pro Rechnung Provision kassiert haben – je nachdem, wie gut er den Kunden kannte, zwischen sieben und 15 Prozent des Rechnungsbetrags. Im Tatzeitraum seien dies rund 300 000 Euro gewesen, so Oberstaatsanwalt Thul-Epperlein.

Ein Beispiel aus der Anklage: Der Chef einer Firma für Baustahlarmierungen in Stuttgart verbucht zwischen 2010 und 2015 rund fünf Millionen Euro Einnahmen. Um Steuern und Abgaben zu sparen sowie Bares für Schwarzlöhne zu haben, kauft er beim Hausmeister Abdeckrechnungen. Er schickt seine Schwarzarbeiter auf die Baustellen. Die Löhne und Arbeitsstunden seiner legal angestellten Arbeiter setzt er zu niedrig an. So spart der Unternehmer laut Anklage 860 000 Euro Sozialversicherungsbeiträge und 183 000 Euro Lohnsteuer. Und der Hausmeister hat ihm Beihilfe geleistet.

Prozesstermine bis Ende Februar 2017

Einige der Verteidiger haben angekündigt, ihre Mandanten würden Angaben zur Sache machen. Man sei an einem Gespräch mit der Strafkammer und den beiden Staatsanwälten interessiert um auszuloten, wie die jeweilige Straferwartung sei. Das sei derzeit nicht sinnvoll, so Frank Maurer, Vorsitzender Richter der 13. Wirtschaftsstrafkammer. „Mögliche Strafen könnten anders ausfallen, wenn beispielsweise Schadenwiedergutmachung geleistet würde“, so Maurer. Der Prozess ist bis Ende Februar 2017 terminiert. Bei Geständnissen der fünf Angeklagten könnte es schneller gehen.