Laut eines Fallanalytikers handelt es sich bei den Parkplatzmorden um eine Serientat – auch wenn die Opfer ziemlich unterschiedlich waren.
 

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Es gibt viele Unklarheiten über die Taten, die einem 56 Jahre alten Mann aus Esslingen vorgeworfen werden. Er ist am Landgericht angeklagt, weil er im vergangenen Sommer zwei Männer an Treffpunkten für Homosexuelle erschossen haben soll, in einem dritten Fall wird ihm versuchter Mord vorgeworfen. Einen Teil der offenen Fragen in dem Mordfall versuchte am Montag ein Fallanalytiker des Bundeskriminalamts zu beantworten. Immer wieder musste er in seine Ausführungen einschieben: "Das kann ich nicht sagen." Meist waren es die Antworten auf die Fragen nach der Motivation und Psyche des Täters, die er schuldig bleiben musste mit dem Verweis: "Das ist ein Thema für einen forensischen Psychiater."

 

Die Aufgabe des Analytikers bestehe darin, Merkmale der Taten herauszuarbeiten, die der Polizei bei der Fahndung helfen, betonte der Experte. Im Falle der beiden Morde, die als "Parkplatzmorde" bekannt sind, arbeiteten die BKA-Mitarbeiter heraus, dass es sich um einen Serientäter handeln könnte - auch wenn die Opfer ziemlich unterschiedlich waren.

"Selbst beim FBI wird mittlerweile argumentiert, dass bei Serienmördern alles möglich ist", sagte der Gutachter. Mit dem Verweis auf die amerikanische Bundesermittlungsbehörde, die schon wesentlich länger auf Profiler setzt als die deutsche Polizei, erklärte der Analytiker die Zusammenhänge, die er sieht. Ein 30 Jahre alter Mann, der ungepflegt gewirkt haben soll, wurde bei einem Parkplatz im Hölzertal bei Magstadt erschossen. Gefunden wurde er bekleidet, nur sein Geschlechtsbereich war frei gelegt. Das zweite Opfer war 70 Jahre alt, es wurde nackt bei Möhrfelden-Walldorf in Hessen an der Autobahn 5 im Wald gefunden - ebenfalls durch einen Schuss in den Kopf ermordet. Ein gepflegter, stattlicher Mann sei er gewesen. Der jüngere Mann habe seine Homosexualität mitunter verheimlicht, der ältere habe sie ausgelebt. Das zweite Opfer habe der Täter mit Laub zu verbergen versucht, auch das ein Unterschied zur ersten Tat.

Opfer haben unverbindlichen Sex gesucht

Dennoch könne man Merkmale einer Mordserie erkennen, sagte der BKA-Beamte. Beide Opfer hätten an einschlägigen Treffpunkten auf Autobahnparkplätzen unverbindlichen Sex gesucht.

Im Hölzertal schlug der Täter nachts zu. Tagsüber sei das Risiko, ungewollte Zeugen zu haben, dort zu groß gewesen, da der Platz nicht nur von Männern mit Interesse an Sextreffs angesteuert werde. "Das Gelände hat einen Freizeitcharakter und man bemerkt von dem Treff nichts", so der Analytiker. Im zweiten Fall habe der Täter am Tag zugeschlagen. Was nach unbedachter Abweichung von der Regel aussieht, sei gut durchdacht gewesen. Denn an der Autobahn 5, wo der zweite Tatort lag, sei es tagsüber laut. Zufällige Besucher, die mit dem Schwulentreff nichts zu tun haben wollen, gäbe es dort kaum.

Ob der dritte Tatvorwurf, ein Angriff mit einem Messer auf einen Touristen in Freudenstadt, in die Serie passe, wurde im Sommer 2010 nicht untersucht. Der Verteidiger des 56-Jährigen, der zu den Vorwürfen schweigt, wünschte sich das. "Das wäre sehr aufwendig", sagte der Experte. Analytiker dürfen kein Wissen über Beschuldigte einbeziehen - die Aktenlage unter diesem Aspekt neu aufzuarbeiten sei schwierig.