Investoren haben bei der Übernahmeschlacht zwischen VW und Porsche viel Geld verloren. Im Prozess, der am Montag in Stuttgart beginnt, wollen sie Schadenersatz. Es geht um Summen in Milliardenhöhe.

Stuttgart - Das Stuttgarter Landgericht hat sich für einen großen Ansturm heute gewappnet. Es habe immer mehr Anfragen von Medienvertretern gegeben, deshalb habe man die Verhandlung kurzfristig in einen größeren Saal verlegt, berichtet ein Sprecher der Behörde. Der Prozess, der am Montag beginnt, ist brisant, denn es geht um viel Geld. Zwei Dutzend amerikanische Hedgefonds verlangen von der Porsche Holding 1,38 Milliarden Euro Schadenersatz. Sie werfen den Stuttgartern vor, im Kampf um die Übernahme von VW von Porsche getäuscht worden zu sein.

 

Bei den Hedgefonds mit Namen wie Viking Global Investors, Tiger Global oder Royal Capital handelt es sich um ganz großes Kaliber. Zu den Klägern zählt beispielsweise auch die Gesellschaft Greenlight Capital, die von dem Milliardär David Eichhorn gesteuert wird. Der Mittvierziger wird an der Wall Street „David the Goliath“ genannt. Die US-Finanzpresse registriert aufmerksam, wo der Spekulant sich engagiert, welche Aktien er abstößt. Im vergangenen Jahr machte Eichhorn Schlagzeilen, indem er einen Rechtsstreit mit Apple anzettelte. Eichhorn wollte, dass die Aktionäre stärker von den Barreserven profitieren.

Der auffällig hohe Kurs hat Hedgefonds angezogen

Im Mittelpunkt des Stuttgarter Prozesses steht das Jahr 2008. Die VW-Aktie galt damals bei den Analysten als überbewertet, wenn man die betriebswirtschaftlichen Kennziffern zugrunde legt. Spekulationen darüber, ob Porsche die Macht bei VW übernehmen wolle, befeuerten die Kursfantasie. Der auffällig hohe Kurs zog Hedgefonds an, „als hätte jemand einen blutigen Kalbskopf in ein Piranha-Becken geworfen“, wie der „Spiegel“ schrieb. Die Fonds wetteten auf fallende Kurse. Der Porsche-Aufsichtsrat gab damals am 3. März grünes Licht, die VW-Beteiligung auf über 50 Prozent aufzustocken. Als kurz darauf Gerüchte aufkamen, wonach Porsche noch weiter auf 75 Prozent aufstocken und VW beherrschen wolle, wurde dies von dem Stuttgarter Unternehmen dementiert. Am 26. Oktober jedoch veröffentlichte Porsche überraschend eine Mitteilung, wonach der Sportwagenbauer 2009 eine Aufstockung auf 75 Prozent anstrebe und dass das Unternehmen sich mit gewieften Finanzgeschäften bereits den Zugriff auf insgesamt 74 Prozent der Stammaktien von VW gesichert habe.

Weil rund 20 Prozent beim Großaktionär Niedersachsen lagen, wurde schlagartig klar, dass kaum noch Aktien am Markt frei verfügbar waren. Die Spekulanten wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Sie hatten zuvor geliehene Aktien verkauft, weil dies in der Regel Druck auf den Kurs ausübt. Nun mussten sie VW-Papiere ohne Rücksicht auf die Kosten kaufen, um sie an die Leihgeber zurückzugeben und damit ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Der VW-Kurs explodierte und schoss auf 1005 Euro. Die Spekulanten verloren dadurch viel Geld.

In der ersten Instanz haben die Kläger in New York verloren

Die US-Hedgefonds werfen Porsche vor, verheimlicht zu haben, dass das Unternehmen von Anfang an vorhatte, auf 75 Prozent aufzustocken. Porsche habe die Investoren somit getäuscht und den VW-Aktienkurs manipuliert. Sie argumentieren, dass sie nie auf fallende Kurse gesetzt hätten, wenn sie die Wahrheit gewusst hätten.

Die Fonds hatten bereits vor einigen Jahren versucht, ihre Forderungen vor einem New Yorker Gericht geltend zu machen. In der ersten Instanz waren sie jedoch abgewiesen worden, weil die Aktie von VW nicht an der New Yorker Börse notiert ist. Nun versuchen sie einen zweiten Anlauf in Stuttgart.

Schon im Dezember 2012 wurde Anklage erhoben

Stuttgart ist indes nur einer von mehreren Schauplätzen der zivilrechtlichen Aufarbeitung des Übernahmepokers. Auch in Braunschweig, Hannover, Frankfurt, New York und London verlangen Investoren Schadenersatz, weil sie viel Geld mit VW-Aktien verloren haben. Insgesamt geht es dabei um geschätzte 5,7 Milliarden Euro. Porsche hat stets betont, dass sämtliche Vorwürfe unbegründet seien.

Die ersten Entscheidungen deuten darauf hin, dass sich die Kläger keine allzu großen Hoffnungen machen dürfen. Das Landgericht Braunschweig hat zwei kleinere Klagen abgewiesen. Neben der zivilrechtlichen läuft auch noch die strafrechtliche Aufarbeitung des gescheiterten Übernahmeversuchs. Porsche-Finanzchef Holger Härter wurde vom Stuttgarter Landgericht wegen Kreditbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt, zieht nun aber vor den Bundesgerichtshof. Zudem hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart schon im Dezember 2012 Anklage gegen Härter und Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wegen des Verdachts der Marktmanipulation erhoben. Das Landgericht hat noch nicht mitgeteilt, ob es zu einem Prozess kommt. Darüber hinaus wird gegen Porsche-Aufsichtsräte wegen des Verdachts der Beihilfe zur Marktmanipulation ermittelt.