Ein Psychiater sagt über den Luftpistolenschützen aus – und über die Ursachen seiner Krankheit.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Weissach im Tal - Der Zustand, in dem sich der 45-jährige Mann befand, der am 22. Oktober 2016 abends aus seinem Haus in Weissach im Tal auf Nachbarhäuser, Autos und eine Bushaltestelle geschossen hat, muss ein Albtraum gewesen sein. Stimmen, die der Gärtner bereits seit einiger Zeit hörte, sagten ihm, dass er sich zu Wehr setzen dürfe, wenn er mit „Infraschallwellen“ beschossen würde. Das machte ihm seine psychische Krankheit weis, eine paranoide Schizophrenie, die an jenem Abend akut zuschlug. „Ich hatte mich tagsüber sehr gut gefühlt, abends begann ich wieder die Stimmen zu hören“, sagte er vor Gericht aus, wo entschieden wird, ob er weiter in einer psychiatrischen Klinik bleiben soll.

 

Polizisten des SEK stürmen die Wohnung

Getrieben von seiner Angst, lud er zwei Luftpistolen, die wie zum Beispiel Sahnesyphons mit Gaspatronen betrieben werden. Als ein Auto vor dem Haus an der Stuttgarter Straße gegen 20.30 Uhr anhielt, fühlte er sich von diesem bedroht und schoss darauf. „Ich war mir sicher, dass darin jemand mit einem Gerät Strahlen auf mich schoss.“ Und wenn jemand auf ihn schoss, dürfe er doch zurückschießen, suggerierten ihm jene Stimmen in seinem Kopf.

Schließlich wurde er von Spezialisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) überwältigt und in das Psychiatrische Landeskrankenhaus Weissenau bei Ravensburg gebracht. Dort verschlechterte sich sein Zustand, da er sich nicht therapieren lassen wollte. „Er wollte sich zuerst nicht einmal eine Tetanusspritze geben lassen, obwohl er von einem Polizeihund gebissen worden war“, berichtete am Montag der Psychiater Jürgen Eckardt, Arzt in der Weissenau und vom Gericht bestellter Gutachter.

Zwangstherapie bringt Erfolg

Gegen den Willen des 45-Jährigen war eine Therapie nicht möglich. „Wir haben deshalb frühzeitig einen Antrag für eine Zwangsbehandlung beim Landgericht gestellt“, berichtete Eckardt während seiner Aussage vor Gericht. Erst sieben Wochen später kam grünes Licht seitens des Gerichts. Eine Zeitspanne, die vor allem für den 45-Jährigen unerträglich gewesen sei, so der Psychiater. Weil sich dieser zusehends aggressiver gezeigt hatte, war er in eine Isolationszelle gebracht worden, wo er sich selbst und anderen zwar nichts antun konnte, er jedoch immer mehr unter der psychischen Krankheit litt.

Sechs Pfleger und Ärzte überwältigten den 45-Jährigen schließlich, um ihm ein Neuroleptikum zu spritzen. „Wir kommen mit einer solchen Übermacht, damit weder der Patient noch jemand vom Personal verletzt wird“, sagte der Psychiater. Die Injektion habe eine Wirkung von drei Tagen gehabt, danach sei der 45-Jährige bereits wieder so einsichtig gewesen, dass er fortan Tabletten nehmen konnte. Auslöser für die Krankheit könne der Krebstod seiner Schwester gewesen sein – und auch der Brand einer leerstehenden Asylbewerberunterkunft in der Nachbarschaft, den der 45-Jährige nahezu unmittelbar miterlebt hatte. Dieser Brandanschlag machte 2015 international Schlagzeilen.

Das Urteil wird am Mittwochvormittag erwartet

Am Mittwoch wird die 1.  Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts entscheiden, wie es mit dem alleinstehenden Mann weitergehen soll, der laut des Gutachters zum Zeitpunkt der Tat keine Einsicht in die Falschheit seines Handelns gehabt habe. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass nicht von einem versuchten Totschlag, sondern von gefährlicher Körperverletzung ausgegangen werden könne. Der Staatsanwalt hat beantragt, den Mann bis auf Weiteres in der Klinik zu belassen.