Hat Daimler die Verbraucher mit der Aussage getäuscht, die Emissionen seiner Diesel würden auf ein „Minimum“ reduziert? Darum geht es in einem Prozess vor dem Landgericht. Die Richter wollen nun Näheres über die Abgasreinigung wissen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Rechtsstreit um eine Werbeaussage des Daimler-Konzerns über die Sauberkeit seiner Diesel-Motoren hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen Teilerfolg erzielt. Vor dem Landgericht Stuttgart blieben die Fronten zwischen dem Autobauer und der Umweltorganisation am Donnerstag zwar verhärtet. Das Gericht forderte Daimler aber auf, binnen vier Wochen Einzelheiten zu der bisher nur vage beschriebenen Reduzierung der Abgasreinigung offenzulegen. Zugleich folgte es der Ansicht der Umwelthilfe, dass es sich um eine wettbewerbsrelevante Werbeaussage handeln könnte. Der Zivilprozess wird im Juni fortgesetzt.

 

Daimler hatte die sogenannte Bluetec-Technologie mit den Worten beschrieben, dadurch werde der Schadstoffausstoß auf ein „Minimum“ reduziert. Dem hatte die Umwelthilfe die Untersuchung eines niederländischen Instituts gegenüber gestellt, bei der eine Mercedes C-Klasse Bluetec 220 CDi besonders schlecht abgeschnitten habe. Auf dem Prüfstand seien die Werte zwar sehr gut gewesen, unter realen Bedingungen auf der Straße aber um ein Vielfaches überhöht. Vor diesem Hintergrund wertete die DUH die Werbeaussage als Versuch, die Verbraucher in die Irre zu führen.

Mit sieben Klicks zur Werbeaussage

Daimler weist den Vorwurf der Verbrauchertäuschung bis heute entschieden zurück. Da der Konzern die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgeben wollte, landete der Streit vor dem Landgericht. Ursprünglich sollte er dort schon Ende 2016 verhandelt werden. Der Termin war aber geplatzt, weil Daimler kurzfristig die Zusammensetzung der Kammer moniert hatte. Entsprechend seinem Wunsch verhandelte nun nicht nur die Vorsitzende Richterin, sondern auch zwei Handelsrichter.

In dem Verfahren geht es laut der Richterin im Kern um die Frage, ob der durchschnittliche Verbraucher durch die Werbeaussage getäuscht worden sein könnte. Daimler hatte sinngemäß argumentiert, sie lasse sich gar nicht auf das spezielle Modell beziehen. Erst über sieben Links gelange man im Internetauftritt zu der „Minimum“-Passage; von der C-Klasse sei dabei gar keine Rede. Das Gericht gab hingegen zu erkennen, dass es von einer „einheitlichen“ Werbung ausgehe. Wer einen Autokauf plane, informiere sich auch mit mehreren Klicks.

Richterin nennt Daimler-Infos „nebulös“

Eine Schlüsselrolle spielt in dem Verfahren nun eine Konzern-interne Information, mit der Daimler auf den Verdacht reagiert hatte, ähnlich wie VW Abschalteinrichtungen zu verwenden. In dem Rundschreiben an die Mitarbeiter, das die Umwelthilfe vorgelegt hatte, wird dies entschieden dementiert. Zugleich räumte der zitierte Daimler-Experte jedoch ein, dass der Wirkungsgrad der Abgasreinigung unter bestimmten Betriebsbedingungen angepasst werde. Die Richterin nannte diese Formulierungen „nebulös und sibyllinisch“. Sie forderte den Autobauer auf, binnen vier Wochen genauer zu erklären, was dies bedeute. „Jetzt muss Daimler die Hosen runterlassen“, sagte der DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Man sei sehr gespannt zu erfahren, wie genau und bei welchen Außentemperaturen die Abgasreinigung reduziert werde. Die Umwelthilfe vermutet seit langem, dass dies bereits bei niedrigen Temperaturen der Fall sei, wie sie während der Hälfte des Jahres in Deutschland herrschten.

Die Aussage, die Emissionen würden auf ein „Minimum“ reduziert, wollte Daimler im Gegensatz zur Umwelthilfe nur auf seine eigenen Fahrzeuge bezogen sehen. Der DUH-Anwalt wies jedoch darauf hin, dass der Konzern selbst einen sehr viel saubereren Diesel-Motor im Programm habe. Aus Sicht des Gerichts gelten besonders strenge Anforderungen, wenn eine solche „Spitzenstellung“ behauptet werde. Dies habe das Oberlandesgericht in einem Fall entschieden, wo ebenfalls ein Superlativ verwendet wurde. Grundsätzlich zeigte sich Daimler zwar zu einer Einigung bereit; man würde sich einer „vernünftigen Lösung“ nicht verschließen, sagte eine Vertreterin. Eine Annäherung zur DUH war aber nicht erkennbar.